Der gut gedeckte Schanzentisch
Tourneesieger wurde Andreas Felder nie. Doch Österreichs Cheftrainer weiß, dass man die Tournee in Oberstdorf nicht gewinnen, allerdings bereits verlieren kann. Daher war der Absamer, 57, tunlichst darum bemüht, für gute Laune und Stimmung zu sorgen bei der 68. Auflage des Schanzenklassikers.
Dass rundum kein Schnee lag und trotzdem Hunderte Skifahrer Schlange standen bei der Nebelhornbahn oder auch das Springen problemlos stattfinden konnte, bestätige ihm, dass „mit Willen, Vorbereitung und Material“alles möglich sei. Zudem, das erlebte er als Aktiver vor 30 Jahren selbst: „Es gab damals auch nicht immer Schnee. Ernst Vettori und ich haben uns da zwischen Krokussen aufgewärmt, auf einer grünen Wiese. Und schön war’s.“
Während sein Freund zweimal die Tournee gewann und 1992 auch mit Olympiagold glänzte, stand Felder trotz 25 Weltcupsiegen und Skiflug-Gold (1986) nie im Rampenlicht. Ihn störte das keineswegs, seine Ruhe war ihm schon immer heilig. Gelitten, das gibt er jetzt, Jahrzehnte später, unumwunden zu, habe er schon. Er habe „da öfter Probleme gehabt“, weil er rund um den Jahreswechsel nie in Hochform war. Warum? Die Antwort darauf fand er nie.
In seiner zweiten Amtszeit als Adler-Chef (1995–1997) will Felder so wenige Fehler wie möglich begehen. Weil Skispringen ein derart feinfühliges Geschäft ist, passieren eben „Hoppalas“immer wieder. Oder ein Sturz wie der von Stefan Kraft in Engelberg, Felder gehe es dann darum, was man daraus macht, wie man damit umgeht. Vor allem aber, wie schnell man wieder aufsteht und weitermacht.
Bei der Tournee gehe es auch um Logistik, das Erleben des Vertrauten und damit stressfreien. Darum logiert seine Mannschaft immer in den gleichen Hotels, pendelt lieber zwischen Leutasch und Garmisch-Partenkirchen, anstatt im Austragungsort des Neujahrsspringen zu wohnen. Dass sich dieses Event rundum verändert hat seit seinem Karriereende 1992, muss er nicht gesondert betonen. Sein Zugang dazu, „die Welt auf der Schanze bleibt immer gleich“, jedoch mutet eigen an, vor allem in Hinblick auf all die technischen Innovationen und Materialtricks, die diesen Sport in der Gegenwart so prägen.
Es mag ihm durchaus gleichgültig sein, vielleicht ist das aber gewissermaßen auch Taktik. Während unaufhaltsam bei anderen Mannschaften von neuen Anzügen geschwärmt oder gezielt beim Polen Kamil Stoch ein „Wunderschuh“ausgemacht worden sein soll, gibt es rund um die ÖSV-Adler kaum Aufsehen oder in die Öffentlichkeit getragene Informationen in puncto Material. Dass die Innovationsabteilung seit einem Jahr an einem Adler-Schuh feilt, muss erwähnt sein. Nur, er drückt noch. Und: Alle ÖSV-Athleten erhielten für die Tournee neue Anzüge. Kraft: „Wenn es nur einen Meter mehr bringt, hat es sich rentiert.“
Felder sagt, eher verschmitzt, dass Skispringen wie die Formel 1 sei. Alles werde schneller, effektiver. Den Einwand, dass auf der Schanze entgegen der Rennstrecke nicht immer der gleiche Athlet gewinnt, ließ den Tiroler laut lachen. „Die Aerodynamik ist wichtig, da musst gut unterwegs sein. Das sind meine Springer. Aber beim Tempo musst du mithalten, das wird in dieser Saison immer langsamer.“Und damit ist erklärt, warum nicht immer nur ein Athlet gewonnen hat bislang. Die durch Wind, Wetter und Jurylaune oft sehr verkürzten Anläufe sorgten dafür, dass oft nur 83 bis 86 km/h beim Absprung gemessen worden sind, vielen fehle damit der nötige Anschub im Spiel mit dem Wind.
Skispringen ist allerdings nicht nur eine Frage des richtigen Timings beim Absprung, sondern auch eine hohe Kunst, was die Landung anbelangt. Einen Telemark zu setzen, verlangt echtes Können bei diesem Tempo samt einwirkenden Kräften. Auffällig ist dabei die extrem gestiegene Anzahl von Knieverletzungen. Für Felder spielen da die „Wadenkeile“, die sich Springer in den Schuh stopfen, um schneller die Stabilisierung der Ski in der Flugphase zu gewährleisten, eine große Rolle. Auch das „gebogene Staberl“der Bindung sei bei der Landung tückischer denn hilfreich. Der hintere Fuß werde beim Telemark zu stark belastet.
Womöglich sei eine Regeländerung nötig. Sie würde aber Proteste auslösen von jenen, die gerade allen andern davonspringen. Felder hat recht: Die Welt auf der Schanze bleibt immer gleich.