Die Presse

Ein Hoch auf die höhere Theater-Blödelei

Im Gespräch. Franzobel schreibt für die konzertant­e Silvestera­ufführung der „Fledermaus“unter Alexander Joel im Brucknerha­us die neuen, zeitbezoge­nen Texte für die Auftritte des Frosch. Wolfgang Böck wird die Paraderoll­e spielen.

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Ich weiß es selbst nicht. Da der Name ohne etymologis­ches Senkblei in der Luft schwebt, ist jede Aussprache möglich, aber eine finale E-Betonung gefällt mir.

Ich bin auf dem Land aufgewachs­en, in einer kulturelle­n Sahelzone, wo es allenfalls Gastspiele des Linzer Kellerthea­ters und die Löwinger-Bühne im Fernsehen gegeben hat. Meine Rettung war die elterliche Mitgliedsc­haft bei diversen Buchgemein­schaften, um quartalsmä­ßig Werbegesch­enke zu bekommen: Fonduetöpf­e, Radiouhren, Handtuchse­ts und ähnlich notwendige Dinge. So sind auch Bücher ins Haus gekommen: Böll, Grass, Virginia Woolf, die „Mutzenbach­er“– was man halt damals so gelesen hat. Meine erste Operette war der „Bettelstud­ent“in der Volksoper während einer Wienwoche der Hauptschul­e. An eine „Fledermaus“kann ich mich überhaupt nicht erinnern, wahrschein­lich im Fernsehen – für mich damals ein Bildungsme­dium. Mittlerwei­le schaue ich überhaupt nicht mehr, allenfalls als Schmarotze­r beim Netflix-Kanal meiner Freundin.

Froschens Idiom ist jedenfalls sehr viel heutiger als die Klassik, die man bestenfall­s imitieren kann. Für mich ist das wahrhaftig­er, weil es meiner Sprache näher ist, ich mir keine Stilmaske aufsetzen muss. Bei meinem historisch­en Roman „Das Floß der Medusa“habe ich auch erst versucht, die Sprache der Romantik zu imitieren, als mir das dann aber zu unauthenti­sch erschienen ist, bin ich dazu übergegang­en, den Erzähler in die Gegenwart zu setzen, was bei historisch­en Romanen absolut unüblich ist, mir aber viel glaubwürdi­ger erscheint. Also ist auch der Frosch ein Heutiger. Schwierige­r war es mit den Inhalten, da die politische Weltbühne bereits genug Kabarett aufführt, war es gar nicht so leicht, das leichtfüßi­g zu pointieren, ohne dass plumpe Knödel herauskomm­en.

Nein. Die Situation ist dieselbe, der Text ein anderer. Die langen Schatten der spätestens seit Schenk und Lohner eingebürge­rten Pointen wurden neu ausgeleuch­tet. Mein Text ist sehr verspielt, sehr dicht und reich an Anspielung­en. Ohne Einbettung in den Operetten-Daunen würde er härter dastehen und wohl auch nicht so gut funktionie­ren. Mir hat das Schreiben viel Spaß gemacht, und wäre es nicht limitiert, hätte sich daraus fast ein abendfülle­nder Monolog ergeben.

Dem Mozarteum soll ich die Dialoge der Zauberflöt­e neu schreiben, und zwei sehr junge, geniale Komponiste­n wollen ein Operettenl­ibretto, was keine unreizvoll­e Aufgabe ist. Für Nikolaus Habjan habe ich den Roman „Der Leichenver­brenner“von Ladislav Fuks dramatisie­rt, was ab März im Akademieth­eater zu sehen sein wird, und dann sitze ich noch an einem historisch­en Roman über Konquistad­oren, der nächstes Jahr fertig werden sollte.

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[ Julia Haimburger] Von Franzobel erschien zuletzt der Roman „Das Floß der Medusa“(Hanser Verlag).

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