Ein „Beitrag“zur Ausgrenzung aus der christlichen Gemeinschaft
Noch immer entscheidet ein NS-Gesetz darüber, wer zur Kirche gehört und wer ihre Segnungen nicht in Anspruch nehmen darf.
Wie jedes Jahr zur Weihnachtszeit sind alle Medien sehr „fromm“: Interviews mit Bischöfen und Pfarrern, Übertragungen von Messen und Gottesdiensten, Papstansprachen, Evangeliumstexte und Weihnachtsgeschichten aller Art werden geboten. Man könnte den Eindruck gewinnen, fast alle Österreicher wären Mitglieder einer christlichen Kirche. Dem ist mitnichten so. Betrug der Anteil der Katholiken in den 1950er-Jahren noch 89 Prozent, so liegt er heute bei 57 Prozent. Tendenz sinkend. Warum dies so ist, wird unterschiedlich interpretiert. Befragt man junge Leute, so hört man vor allem zwei Gründe: Ihre Eltern traten aus der Kirche aus und ließen sie daher nicht taufen oder sie traten selbst aus. Als Auslöser für diesen Schritt wird fast immer die erstmalige Vorschreibung des Kirchenbeitrags genannt. Das Frauenpriestertum und nicht einmal die Missbrauchsfälle sind relevante Gründe.
Meist ist es ein Abschied für immer, denn ein Wiedereintritt ist eine hohe Hürde. Sie sind nicht mehr dabei, und das nicht nur formal als Mitglieder eines „Vereins“. Hier beginnen die Widersprüche und die Problematik des Kirchenbeitrags. Da Getaufte eigentlich gar nicht aus dem Christentum „austreten“können, sondern nur aus der Institution Kirche, wird der Austritt einem Abfall vom Glauben gleichgesetzt. Und das bedeutet auch den Ausschluss von allen Sakramenten, also eine Exkommunikation. Ein Austritt heißt aber nicht automatisch, dass diese Menschen nicht mehr religiös sind, dass ihnen die christlichen Werte und die Botschaft nichts mehr bedeuten. Was hat also der persönliche Glaube mit dem Entrichten einer bestimmten Summe zu tun? Und wie passt dieser Zwangsbeitrag mit dem Prinzip der Freiheit und Freiwilligkeit zusammen, was ein wichtiges Grundprinzip des Christentums darstellt?
Ein weiteres Problem ist die Entstehungsgeschichte des Kirchenbeitrags. In dieser Form geht er auf die NS-Zeit zurück und wurde in Österreich erst 1939 eingeführt. Er sollte den Kirchen größtmöglichen Schaden zufügen, da Priester quasi zu Geldeintreibern gemacht wurden. Die Bischöfe protestierten deshalb damals heftig dagegen. Im Gegensatz zu anderen Ländern, die ihre Kirchensteuer ebenfalls den Nationalsozialisten zu „verdanken“haben, wurde er nach der NS-Zeit hierzulande beibehalten. Andernorts übernahm (wieder) der Staat die Einhebung der Kirchensteuer, wie in Deutschland.
Die Frage, wie man die Gebäude im Kirchenbesitz, die ja oft auch Kulturgüter sind, erhalten und das Personal bezahlen kann, lässt sich auch anders lösen. In Italien etwa hebt der Staat eine Steuer ein, die man entweder einer Kirche oder einem kulturellen oder sozialen Zweck widmen kann. Das lukriert zwar nicht mehr Kirchgänger, verursacht aber keine Austritte wegen einer Kirchensteuer. Denn zahlen muss man ohnehin. Auch könnte man überlegen, die eigenen Strukturen zu straffen, etwa bei den kirchlichen Angestellten, der Zahl der Pfarrhöfe etc. Dafür könnte man sich auf die zentralen christlichen Botschaften konzentrieren. Es gibt keinen vernünftigen Grund, an dieser problematischen Zwangsabgabe bei sonstiger Exkommunikation festzuhalten. Denn man wird den Verantwortlichen nicht unterstellen, dass sie erhoffte Mehreinnahmen durch eine Zwangsabgabe höher bewerten als das Seelenheil der ihnen Anvertrauten? Sollte wirklich weiterhin der Erstkontakt eines jungen Erwachsenen mit der Institution Kirche ein Zahlschein sein? Will man wirklich die Bemühungen von Religionslehrerinnen und Seelsorgern durch ein Inkasso gefährden oder gar zerstören?
In einer Zeit, in der die Sehnsucht nach Spiritualität und Religion zunimmt, in einem Land der Spendenweltmeister, könnten die Kirchen den Schritt zu einer Alternative getrost wagen. Nach 80 Jahren wäre es hoch an der Zeit, diese Form der Vergangenheitsbewältigung endlich anzugehen.