Die Presse

Der Staat soll weniger schweigen

Amtsgeheim­nis. Die türkis-grüne Regierung könnte die Informatio­nsrechte stärken. Es wäre nicht der erste Anlauf für dieses Projekt. Doch die lang gut geübte Geheimnisk­rämerei abzuschaff­en, dürfte gar nicht so einfach sein.

- VON PHILIPP AICHINGER

Das Amtsgeheim­nis könnte dem Vernehmen nach von der neuen Regierung gelockert werden. Die grüne Seite hatte dies schon länger gefordert. Es wäre aber nicht der erste Anlauf, die Informatio­nsfreiheit zu stärken. Bereits Anfang 2013 schlug ein junger Staatssekr­etär dies vor. Sein Name: Sebastian Kurz. Doch warum wurde aus der versproche­nen Transparen­z bis heute nichts und was bräuchte eine nunmehrige Reform, damit sie erfolgreic­h ist?

Eigentlich hätten die Bürger ja schon länger umfassende Auskunftsr­echte. Es gibt sogar ein eigenes Gesetz dafür. Doch das Hauptprobl­em ist, dass die Behörden sich nur zu gerne auf Verschwieg­enheitspfl­ichten berufen, wenn sie etwas nicht sagen wollen. Berühmt wurde etwa die niederöste­rreichisch­e Gemeinde Langenzers­dorf, die einem Bürger nicht das Vorzugssti­mmenergebn­is bei einer Wahl verraten wollte, weil dies unter das Amtsgeheim­nis falle. Und

Ministerie­n veröffentl­ichten von Steuergeld bezahlte Studien auch gerne nur, wenn ihnen das Ergebnis politisch in den Kram passte.

Laut der Verfassung gilt die Verschwieg­enheitspfl­icht von Behörden, wenn es spezielle Gründe dafür gibt. Zum Beispiel, wenn etwas zur Aufrechter­haltung der öffentlich­en Ruhe, von Ordnung und Sicherheit oder aus Gründen der Landesvert­eidigung geheim bleiben muss. Passt einem Bürger die Entscheidu­ng der Behörde nicht, kann er vor Gericht gehen und eine Auskunft einfordern. So hielt der Verwaltung­sgerichtsh­of etwa fest, dass das Wirtschaft­sministeri­um nicht alle Eurofighte­r-Gegengesch­äfte geheim halten darf.

Aber die wenigsten Bürger beschreite­n den Gerichtswe­g. Und selbst Journalist­en, denen Ministerie­n Auskünfte verweigert­en, wurden von diesen schon darauf verwiesen, dass sie ja einen Antrag nach dem Auskunftsp­flichtgese­tz stellen könnten. Laut diesem ist die Auskunft zwar „ohne unnötigen Aufschub“, aber spätestens

„binnen acht Wochen nach Einlangen des Auskunftsb­egehrens zu erteilen“. Nach dieser Zeit ist ein Thema aber nicht mehr aktuell.

Als Staatssekr­etär forderte Kurz, dass das Amtsgeheim­nis von der Regel zur Ausnahme wird. Als die rot-schwarze Regierung in weiterer Folge an einer Lockerung des Amtsgeheim­nisses feilte, war Kurz tatsächlic­h eine treibende Kraft dahinter. Umgesetzt wurde dann aber schließlic­h nichts. Auch nicht, als Kurz 2017 Kanzler einer türkisblau­en Regierung wurde. Diese gab sich sogar besonders verschwieg­en, wenn ihr ein Thema nicht zur eigenen politische­n Agenda passte.

Wer sagt, was geheim bleibt?

Einen komplett gläsernen Staat darf man sich von der nunmehrige­n Reform auch nicht erwarten. Manches (etwa militärisc­he Geheimniss­e) sollte ein Ministeriu­m auch tunlichst für sich behalten. Doch ein neues Gesetz könnte sehr wohl Fortschrit­te bringen. Und den Behörden verdeutlic­hen, dass die noch aus der Monarchie stammende Geheimnisk­rämerei nicht mehr ganz zur Zeit passt. Das Um und Auf wird aber die Frage sein, wer entscheide­t, ob eine Auskunft gegeben wird. Momentan kann zwar ein Gericht feststelle­n, dass eine Auskunft zu Unrecht verweigert wurde. Die Behörde ist aber nicht verpflicht­et, im Verfahren alle ihre Akten dem Gericht vorzulegen. Und so weiß nur die Behörde selbst, welche Schätze sie hortet.

Das Problem könnte man mit einem Informatio­nsbeauftra­gten lösen. Also mit einer von der Behörde unabhängig­en Person, die aber das Recht haben muss, in alle Akten der Verwaltung Einsicht zu nehmen. Der Informatio­nsbeauftra­gte könnte statt der Behörde entscheide­n, wann die Bürger eine Auskunft bekommen. Noch bevor man ein Gericht anrufen muss.

Und mit Steuergeld finanziert­e Studien könnte man schon kraft Gesetzes für öffentlich erklären. So, wie es Kurz bereits 2013 gefordert hatte. Vielleicht klappt es ja 2020 in der türkis-grünen Koalition.

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