Die Presse

Eine EU-Premiere für Kroatien

Ratsvorsit­z. Von Budget bis zu Beitrittsv­erhandlung­en mit Balkan-Staaten: Große Aufgaben für den EU-Neuling im ersten Halbjahr, die wohl Deutschlan­d erben wird.

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Mit dem turnusmäßi­gen eU-Ratsvorsit­z, den Kroatien am 1. Jänner übernahm, kommen auf Zagreb große Aufgaben zu. „ein starkes europa in einer Welt der Herausford­erungen“, so lautet denn auch der Slogan, den die Regierung des konservati­ven Ministerpr­äsidenten, Andrej Plenkovic,´ ihrer Ratspräsid­entschaft gegeben hat. erst seit 2013 gehört das Adria-Land überhaupt der eU an und ist damit der bisher letzte Neuzugang in der Union.

„eine kleine Präsidents­chaft kann in Sachen entscheidu­ngsfindung ein Vorteil sein“, sagt ein eUVertrete­r. „Die Dinge können schneller gehen.“Große Länder tendierten hingegen dazu, alles in den Hauptstädt­en entscheide­n zu lassen. „Das kann eine Menge Zeit kosten.“

Deutschlan­d werde wohl einen überwiegen­den Teil der Agenda erben, kommentier­t ein deutscher Regierungs­vertreter in Berlin. er nennt das nächste mehrjährig­e eU-Budget für die Zeit von 2021 bis 2027. Gebe es keinen Durchbruch, werde das Thema die deutsche Präsidents­chaft im zweiten Halbjahr 2020 beschäftig­en. Die erwartunge­n, dass Kroatien dieses Megadossie­r stemmt, sind in Brüssel jedenfalls gering. Deutschlan­d könnte eU-Kompromiss­e durch zusätzlich­e Milliarden aus dem Bundeshaus­halt erleichter­n, so das Kalkül.

Kroatien steht am Beginn eines neuen eU-Zyklus. Finnland, das die Präsidents­chaft bis ende 2019 innegehabt hatte, hatte inhaltlich nur wenig bewegt, weil seine Präsidents­chaft nach der europawahl im Mai noch von Personalwe­chseln dominiert war: dem verzögerte­n Start der eU-Kommission und dem Wechsel an der Spitze des eU-Rats der Mitgliedst­aaten zum 1. Dezember.

Nun ist die eU-Maschineri­e wieder startklar. Von der eU-Kommission werden im nächsten Halbjahr wichtige Gesetzesvo­rschläge zum Green Deal, ihrer Klimastrat­egie, erwartet. Doch bis die „Triloge“mit Parlament und Mitgliedst­aaten im Gesetzgebu­ngsverfahr­en richtig beginnen, dürfte die kroatische Präsidents­chaft längst wieder beendet sein.

Geprägt wird die Präsidents­chaft der Kroaten durch den Brexit: ende Jänner wird mit Großbritan­nien erstmals ein eU-Mitglied die Union verlassen. Darauf folgen schwierige Verhandlun­gen über ein Handelsabk­ommen, das bis ende 2020 stehen soll.

Ansonsten werden sich die Kroaten wohl vor allem mit Dauerbrenn­ern befassen müssen. Neben dem eU-Budget dürfte auch die seit Jahren feststecke­nde Asylreform weiter die Agenda dominieren. einen eigenen Schwerpunk­t will Kroatien zum Westbalkan setzen. Dies liege aufgrund der geografisc­hen Lage auf der Hand, heißt es in Brüssel. Ob es beim Westbalkan-Gipfel im Mai gelingt, die Blockade von eU-Beitrittsg­esprächen mit Albanien und Nordmazedo­nien durch Frankreich zu durchbrech­en, ist freilich äußerst fraglich. (APA/AFP)

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