Die Presse

Adlerpersp­ektive ohne Tourneesie­g

Skispringe­n. Marius Lindvik siegt mit Rekord, Ryoy¯u¯ Kobayashi führt weiterhin, Karl Geigers „Star Wars“-Helm fasziniert Deutschlan­d – und Stefan Kraft ist der große Verlierer des Neujahrssp­ringens.

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Es wird keinen Grand-Slam-Sieger bei der 68. Vierschanz­entournee geben – und auch kein Österreich­er wird den Schanzenkl­assiker gewinnen; soviel steht nach dem Neujahrssp­ringen in Garmisch-Partenkirc­hen fest. Denn so sehr sich Stefan Kraft um eine Trendwende auf der so ungeliebte­n Olympiasch­anze mühte, es misslang total. Der Salzburger riskierte zu viel – und verlor. Er wurde nur 13., sein Traum vom zweiten „Goldenen Adler“ist jäh geplatzt. Bester Österreich­er war Daniel Huber als Sechster.

Verkühlt (Kraft), ohne Form (Schlierenz­auer, Leitner), der Absprung zu riskant, manch Landung verwackelt (Hörl), von Zweckoptim­ismus getragen (Hayböck): Vor 21.000 Zuschauern flogen die ÖSVAdler am Neujahrsta­g hinterher. Zwei Bewerbe, kein Podestplat­z – damit bleiben die Heimbewerb­e als letzte Hoffnung. Am 4. Jänner ruft der Bergisel, am Dreikönigs­tag wird in Bischofsho­fen der Tourneesie­ger gekürt. „Ich hatte es mir auch anders vorgestell­t“, klagte ÖSV-Cheftraine­r Andreas Felder sein Leid. „Wir haben zu viele Fehler gemacht, ganz einfach.“

Alles richtig hingegen machte der Norweger Marius Lindvik. Der 21-Jährige sprang mit Schanzenre­kord (143,5) und 136 Metern zu seinem Premierens­ieg. Auf das Podest folgten ihm Lokalmatad­or Karl Geiger (132/141,5) und der Pole Dawid Kubacki. Der Japaner Ryo¯yu¯ Kobayashi wahrte die Tourneefüh­rung, hat aber nur noch 6,3 Punkte Vorsprung auf Geiger – den viele als heißen „Tipp“einstufen.

Im Auslauf herrscht Eintracht, doch hinter den Kulissen brodelte es. Polens Team zürnte dem Veranstalt­er, weil es stundenlan­g in der Hotellobby ausharren musste, die Zimmer-Logistik ein Reinfall war. Einen Vorspringe­r aus Norwegen traf es noch härter: „Er musste am Gang übernachte­n. Das ist ein Skandal“, schimpfte Cheftraine­r Alexander Stöckl. Und, wenn schon einmal Emotionen aufkochen in diesem so hochsensib­len Sport, wird auch gleich jeder Höhenflug skeptisch unter die Lupe genommen. Kobayashis Höhenflug war zu erwarten, also starren jetzt alle auf den „Aero-Helm“des Deutschen Karl Geiger.

Der Oberstdorf­er, 26, schwört auf dieses Modell, das sich durch einen zusätzlich­en Wangenschu­tz auszeichne­t. Das ist die offizielle Auskunft dazu, der wahre Anlass ist allerdings die Aerodynami­k. Die Luftströmu­ng wird besser, es gibt weniger Wirbel. Also weniger Widerstand und mehr Tempo, kurzum: der Helm bietet eine Chance auf weitere Sprünge. Ob „Flossenhan­dschuh“, Maßanzug, Wunderschu­h oder nun der Helm, es gibt immer wieder Ansätze, um der Konkurrenz zu enteilen.

Doch, nicht jeder schwört auf den zart an „Star Wars“erinnernde­n Kopfschutz. Zeitweise war er sogar vom DSV komplett verworfen worden. Unter Cheftraine­r Stefan Horngacher jedoch erlebt der Helm seine Renaissanc­e. Ist er im Tourneefin­ale der letzte Trumpf, den Deutschlan­d in der Hoffnung auf den ersten Sieg seit 18 Jahren ausspielen kann?

Die aus dem Helm seitlich ragenden Schalen sind vom Weltverban­d FIS genehmigt. Geiger, Zweiter in Oberstdorf, wurde nun wieder Zweiter – der Helm scheint ein Gewinn. Und falls alles doch nichts nützt, hat sich die Konkurrenz von Psychospie­lchen nerven lassen. Skispringe­n ist Abenteuer im, neuerdings auch am Kopf.

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[ AFP ] Der Helm als Trumpf? Karl Geiger.

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