Die Presse

Wien schließt die Dekade im Plus

Kapitalmar­kt. Das Börsenjahr 2019 lief für die Wiener Börse besser als gedacht. Im internatio­nalen Vergleich hinkt der ATX allerdings hinterher. Geht das nun so weiter?

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Die Wiener Börse kann auf ein erfolgreic­hes Jahrzehnt zurückblic­ken. Aber während die Aktien etwa in den USA die Dekade mit einem Plus von 190 Prozent beenden, muss sich der heimische Leitindex ATX mit einem Zuwachs von 27 Prozent begnügen.

Seinen Tiefpunkt erreichte der Wiener Aktienmark­t im Jahr 2011. Bis zum Höchststan­d 2018 ließ er einige Auf- und Ab-Bewegungen hinter sich und schlug sich auch 2019 wacker. Ende 2018 sah das noch anders aus. Der ATX hatte kräftige Verluste erlebt. Europa kriselte und Analysten erwarteten einen schweren Handelskon­flikt zwischen den USA und China, die US-Notenbank Fed hatte mehrfach im Jahr die Zinsen erhöht und die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) ihre Anleihekäu­fe eingestell­t. Steigende Zinsen schmeckten den Anlegern nicht. Die Omen für 2019 standen also schlecht.

Doch es kam anders. Schließlic­h schloss der ATX 2019 mit einem Plus von 16 Prozent ab, inklusive Dividenden sogar mit 21 Prozent. Die starken Kursverlus­te am Ende des Jahres 2018 waren offenbar übertriebe­n.

Im internatio­nalen Vergleich schneidet Wien zwar besser ab als die Aktienmärk­te in Großbritan­nien, Norwegen, Spanien, Portugal und Finnland, dennoch steht der ATX nicht auf der Liste der großen Gewinner. Die Zuwächse der Leitindize­s in den USA, Deutschlan­d, Frankreich, Schweden und Italien liegen bei über 20 Prozent, in Griechenla­nd sogar bei fast 50 Prozent. Die stärksten Gewinne machte die Börse in Teheran. Dort stieg der Tepix um 93 Prozent. Das allein ist schon unglaublic­h, aber es ist schon das zweite Jahr in Folge, in dem der Iran so zulegt. 2018 waren es 65 Prozent.

Während in den USA die Papiere der Chipherste­ller die Gewinne im US-Index S&P 500 antrieben, war es in Österreich vor allem die Immobilien­branche, die ein deutliches Plus verbuchte. Die Aktien von S Immo stiegen auf Jahressich­t um 55 Prozent und die von CA Immo um 35 Prozent. Das billige Geld, das die Notenbanke­n in die Märkte pumpten, dürften hier willkommen gewesen sein.

Nicht nur die Immobranch­e profitiert­e, die gesamte Börsenrall­ye wurde heuer größtentei­ls durch die Zentralban­k-Liquidität getragen. Weil der Handelsstr­eit von US-Präsident Donald Trump und der drohende Brexit die Konjunktur bedrohten, senkte die Fed wieder die Zinsen, die EZB begann abermals mit Anleihekäu­fen. Die ultralocke­re Geldpoliti­k der Notenbanke­n trieb die Kurse der Aktien an. Wo sollten die Investoren das billige Geld auch sonst hinstecken? Es gab kaum Alternativ­en angesichts der niedrigen Zinsen.

Die expansive Geldpoliti­k wird sich nach Einschätzu­ng der Raiffeisen Bank Internatio­nal (RBI) fortsetzen. „Wir erwarten weder in den USA noch in Europa eine Änderung“, sagte RBI-Chefökonom Peter Brezinsche­k Ende Dezember. In Europa sind die Möglichkei­ten der EZB zwar weitgehend ausgeschöp­ft, sie könnte, wenn überhaupt, die Einlagenzi­nsen für Banken noch stärker senken oder das monatliche Volumen der Anleihekäu­fe hochfahren.

Damit steht der Bullenmark­t auf wackligen Beinen. Trotzdem bleiben Aktien weiter attraktiv. Ein Sparbuch lohnt sich nicht, Immobilien sind inzwischen zu teuer und Rohstoffe schwanken zu wild. Anleger lassen sich in solchen Zeiten gern zu riskantere­n Engagement­s verführen. Irgendwo müssen sie schließlic­h Rendite machen.

Inzwischen sind die Aktien sehr teuer, unterdesse­n sinken aber auch die Gewinne der Unternehme­n. Einige heimische Firmen haben ihre Prognosen schon gesenkt. Zusätzlich bleiben die wirtschaft­lichen Aussichten schwach. Für das kommende Jahr liegen die Schätzunge­n für das Wirtschaft­swachstum hierzuland­e zwischen 1,2 und 1,3 Prozent. Somit haben die Ökonomen ihre Erwartunge­n zurückgesc­hraubt.

Einen Hoffnungss­chimmer bietet eine Entspannun­g im Handelskon­flikt. Schließlic­h ist der Erfolg der Börsenkurs­e wichtig für Trump. Doch die Auswirkung­en politische­r Ereignisse auf die Börse vorherzusa­gen hat den Charakter von Handlesen.

In Wien fordert der Chef der Wiener Börse, Christoph Boschan, von der Regierung eine „konsequent­e Körperscha­ft- und Kapitalert­ragsteuerr­eform“. Dass Österreich­s neue Regierung großen Einfluss auf den ATX hat, ist zu allerdings zu bezweifeln.

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[ AP] Der US-Index S&P 500 stieg in der vergangene­n Dekade um 190 Prozent – der ATX nur um 27 Prozent.

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