Glasfasern und Bienentanz
Vorschau. Der 50. Silvesterball, 1970 nach Vorbild des Hofballs entstanden, leitete in die Hochzeit der Tanzvergnügen über. Ein Überblick.
Wien hat seine Traditionen. Während bei der Silvester„Fledermaus“in der Staatsoper Prinz Orlofsky (Margarita Gritskova) Startenor Jonas Kaufmann als Überraschungsgast seines Fests präsentieren konnte (eine Geste anlässlich der endenden Direktionszeit von Direktor Dominique Meyer), man im Rathaus zum Galadiner Operette servierte und draußen auf den Straßen wieder tausende Menschen auf dem Silvesterpfad feierten, begrüßten in der Hofburg die Gäste im Walzertakt das neue Jahr (und dessen anstehende Ballsaison).
Dabei hatte man diesmal auch das Jubiläum einer Institution zu feiern, die wienerischer nicht sein könnte: Jene des Silvesterballs, der vor 50 Jahren als Kaiserball erfunden worden war – mit dem Ziel, dank imperialer Inszenierung und lang vor Einführung des Silvesterpfads, in der toten Zeit rund um Neujahr Touristen nach Wien zu führen.
Entstanden war die Idee dafür aus der Tradition des „Hofballs“und des „Ball bei Hof“, die unter Kaiser Franz Joseph veranstaltet worden waren. Der „Hofball“fand Ende Jänner statt. Geladen waren jene rund 2000 Personen, die am Hof erscheinen durften. Nach dem feierlichen Einzug des Hofstaates in den Zeremoniensaal wurden ausgewählte Gäste dem Kaiser und der Kaiserin vorgestellt. Im Großen Redoutensaal gab es ein Buffet, der Ball endete mit dem letzten Walzer eine Viertelstunde nach Mitternacht.
Zwei Wochen später wurde in den selben Räumen der „Ball bei Hof“abgehalten. Kleiner und elitärer, waren hier 700 Gäste des Hochadels und das Diplomatische Corps geladen. Der 1970 veranstaltete Kaiserball knüpfte an diese Tradition an – in äußerer Form bis 2012, als man Marschkapelle und Fahnenträger, Sisi-Darstellerin und den Franz Joseph mit falschem Backenbart in den Ruhestand verabschiedete. Einige Jahre versuchte man sich unter dem sperrigen Titel „Le Grand Bal“, um seither einfach zum Silvesterball als „Hausball“des einschlägig beliebten Veranstaltungsorts zu laden.
„Das diesjährige Jubiläum war ein besonders glamouröses Fest zum Jahreswechsel. Den Hofburg-Silvesterball mit so vielen Gästen, einer ausgelassenen Stimmung voller Freude mitzuerleben, ist immer wieder einzigartig“, sagt Direktorin Alexandra Kaszay. „Time to Celebrate“, lautete das Motto in diesem Jahr. 2500 Gäste aus 50 Nationen waren gekommen. Insgesamt 13 Bands und Orchester sorgten für Tanzmusik in den unterschiedlichen Salons. Ganz neu waren heuer der „Strictly Waltz Room“in der Geheimen Ratstube und die „Silver Sparkling Disco“, wo sich vor allem das junge Ballpublikum traf.
Die künstlerische Gesamtleitung übernahmen Christof Cremer und Herbert Fischerauer. Kostüm- und Bühnenbildner Cremer kreierte auch die drei Kostüme für die Walking Acts. „Humorvoll aber doch elegant präsentierten sich Miss PomPom, Miss Congratulation und Miss Ball. Ebenso effektvoll sind die goldenen Ballettkostüme, eine Verschmelzung des Barocks und der Moderne“, sagt Cremer.
Weiter geht es in der heurigen Ballsaison dann gleich einmal zünftig: In der ersten Woche nach den Ferien feiern am Freitag in der Hofburg die Steirer (erstmals mit Trachten-StylingLounge), am Samstag die Tiroler (im Rathaus) und der niederösterreichische Bauernbund (im Austria Center als „größter Scheune Österreichs“). Gastgeber bei den Tirolern ist diesmal der Zukunftsraum Lienzer Talboden, der die Brücke schlagen will vom historischen „Amboss“-Plattler bis zum Bandltanz mit leuchtenden „Glasfasern“. Wer es klassischer mag: Am selben Abend steigt in der Hofburg auch der WU-Ball.
Klassisch geht es in der Woche darauf weiter mit Zuckerbäcker-, Blumen-, Pharmacie- und Offiziersball. Auch die Kroaten und die Altkalksburger feiern da. Am 23. Jänner folgt an seinem üblichen Donnerstagstermin der Philharmonikerball (die Eröffnung dirigiert Herbert Blomstedt), bei dem Dominique Meyer auch zum letzten Mal im Ballkomitee sitzen dürfte. Auch das im August verstorbene Komiteemitglied Rudolf Hundstorfer wird man hier heuer vermissen.
Der Opernball steigt dann genau vier Wochen später, am 20. Februar. Bisher weiß man, dass Christian Lacroix die Diademe der Debütantinnen gestaltet; mehr zum Ballprogramm wird nächste Woche bekannt gegeben.
Auch schon zur Tradition gehören die „Neuen“– nach dem ersten „Weltenball“des Weltmuseums im November wird es heuer zum 6. Mal den Wissenschaftsball geben. 45.000 Menschen zählt die Community, die allein in Wien im Forschungs- und Entwicklungssektor arbeitet, dazu kommen knapp 195.000 Studierende. Organisator Oliver Lehmann verspricht für den 25. Jänner im Rathaus wieder ein „Großraumlabor des geistvollen Vergnügens“. Zentrales Thema ist die Biodiversität, verkörpert durch die Biene – und ja, da wird es dann auch einen Bienentanz geben. Jener Samstag ist dann auch der dichteste Balltag: Zeitgleich steigen auch der Techniker-Cercle, der Vorarlberger Ländle-Ball, der Ärzteball, der Regenbogenball oder die Grazer Opernredoute.
Ein Comeback feiert der Wiener Hip Hop Ball, der einer jungen Szene die Balltradition näherbringen will – das allerdings erst am 23. Mai, im Kursalon. Den Abschluss der Ballsaison im engeren Sinne bildet wie üblich das Elmayer-Kränzchen – da wird dann noch einmal Jubiläum gefeiert: Der etwas verniedlichend benannte veritable Hofburgball beschließt seit 1920 alljährlich den Faschingsdienstag.