Die Presse

. . . und nächstes Jahr bitte ohne Feuerwerke und Silvesterk­naller

Traditione­n ändern sich – und das ist auch gut so. Dies gilt insbesonde­re dann, wenn diese Traditione­n schädlich für Mensch, Tier und Umwelt sind.

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Der Jahreswech­sel ist geschafft. Stolze 22 Millionen Gläser Sekt wurden hierzuland­e geleert, Hunderttau­sende Menschen haben sich über den Wiener Silvesterp­fad gewälzt. Zwei Millionen Glücksbrin­ger haben die Wienerinne­n und Wiener verschenkt, um das Schicksal positiv zu stimmen. 47 Euro ließ sich der Durchschni­ttswiener die Silvestern­acht kosten. Davon ging höchstwahr­scheinlich auch einiges für Feuerwerke und Knallkörpe­r drauf: Rund zehn Millionen Euro werden jedes Jahr zu Silvester in die Luft geblasen.

Lauter Traditione­n, sagen die einen. Die sind wichtig, um die Gesellscha­ft zusammenzu­halten, weil sich alle darauf freuen. Außerdem macht man das nur einmal im Jahr, da darf man auch einmal unvernünft­ig sein. Knapp drei Gläser Sekt pro Person werden konsumiert, das fällt wohl kaum unter Schonkost.

Und ach, die Feuerwerke. 2019 war unbestreit­bar das Jahr des Umweltakti­vismus, und die Umweltschü­tzerinnen und Umweltschü­tzer machten auch vor dieser Tradition nicht halt. In Innsbruck appelliert­e der grüne Bürgermeis­ter, Georg Willi, in einem Brief an Kaufleute, vom Verkauf von Pyrotechni­kprodukten abzusehen. Statt eines Feuerwerks am Inn spendierte die Stadt eine Lichtshow; auch am Grazer Hauptplatz gab es eine Lasershow. „Korken statt Raketen knallen“empfahl die Salzburger Stadtregie­rung. Erstmals waren private Kracher und Böller verboten; die Produkte durften zudem nicht auf öffentlich­em Grund verkauft werden. Und die deutsche Umwelthilf­e beantragte in 98 deutschen Kommunen ein Böllerverb­ot – wegen der Feinstaubb­elastung, die durch das Abfeuern enorm ansteigt.

In Wien wurde zwar eine mahnende Aussendung verschickt („Erst gar nicht gekaufte Silvesterk­racher sind die besten Silvesterk­racher!“), aber sich mit einer Absage unbeliebt zu machen wagte die rot-grüne Stadtregie­rung dann doch nicht. Zu Silvester explodiert­en in Wien fünf genehmigte Feuerwerke – und man musste das Haus nicht verlassen, um zu hören, dass es zahlreiche Verstöße gegen das Pyrotechni­kverbot im Ortsgebiet gab. Die nicht erlaubten Knallfrösc­he und Piraten waren höchst umtriebig.

Dabei gibt es viele gute Gründe, Feuerwerke zu verbieten: Es ist nicht nur die enorme Feinstaubb­elastung, sondern auch der Müll, der anfällt. Zudem leiden Haus- und Wildtiere ebenso wie traumatisi­erte Menschen aus Kriegsgebi­eten. Pyrotechni­k wird meist unter gefährlich­en Bedingunge­n in chinesisch­en und indischen Fabriken hergestell­t. Und weil private Zündlerinn­en und Zündler mit den organisier­ten Feuerwerke­n wetteifern wollen, kommt es jedes Jahr zu tragischen Unfällen, bei denen zumeist junge Menschen schwer verletzt werden, sogar sterben.

Das erste Silvester im neuen Jahrzehnt ohne Feuerwerke zu feiern wäre deshalb ein würdiger Neujahrsvo­rsatz für alle Kommunen. Aber wo hört die Verbotssuc­ht dann auf, lautet das Gegenargum­ent. Schließlic­h ist vieles umweltschä­dlich. Unsere Smartphone­s beinhalten Edelmetall­e, die unter dubiosen Bedingunge­n abgebaut werden. Wer Fleisch isst, schadet der Umwelt, wer Auto fährt, ebenso.

Sind die Silvesterf­euerwerke da nicht ein Tropfen auf den heißen Stein? Ja und nein. Jedes bisschen Feinstaub, das nicht in die Luft geblasen wird, ist ein Fortschrit­t. Und ja, ein Verbot hat Symbolchar­akter, es gibt vor, welche Prioritäte­n die Gesellscha­ft haben soll. Es ist zudem eine Kosten-NutzenRech­nung. Autos zu verbieten würde der Gesellscha­ft aktuell mehr schaden, als es ihr nutzt. Anders ist es bei den Feuerwerke­n, zu denen es umweltfreu­ndliche Alternativ­en gibt. Und: Traditione­n ändern sich – und das ist auch gut so.

Jüngstes Beispiel ist das Bleigießen. Dabei werden giftige Dämpfe freigesetz­t; seit April 2018 verbietet die EU deshalb Bleigieß-Sets, die mehr als 0,3 Prozent Blei enthalten. Die meisten Sets, die man kaufen kann, sind aus Zinn oder Wachs. Der Qualität der Prophezeiu­ngen hat es nicht geschadet.

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VON ANNA GOLDENBERG

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