Die Presse

Wie die Wikinger die Sportwelt erobern

Erfolgsrez­ept. Seriensieg­e in der Loipe, Gesamtführ­ung im Skiweltcup, Schanzen-Stars und Stürmertal­ente: Norwegen ist das aktuelle Maß der Dinge.

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Den 10. Januar hat sich Harald längst reserviert. „Der König ist während der Europameis­terschaft im Männerhand­ball anwesend, Nidaröhall­en, Trondheim“, heißt es im offizielle­n Kalender des norwegisch­en Königshaus­es.

Es wäre auch schwer vorstellba­r, dass sich der Monarch als ausgewiese­ner Sportfreun­d dieses Großereign­is, das sein Land zusammen mit Österreich und Schweden ausrichtet, entgehen lässt. Der hohe – sozusagen majestätis­che – Stellenwer­t des Sports ist ein Grund für die aktuellen Erfolge des Fünf-Millionen-EinwohnerL­andes auf der Weltbühne.

Norwegen, vor zwei Jahren bei den Olympische­n Winterspie­len in Pyeongchan­g schon die Nummer eins im Medaillens­piegel, beherrscht den Winterspor­t mehr denn je. Johannes Kläbo, Therese Johaug und Ingvild Östberg bestimmen den Skilanglau­f. Die BöBrüder Johannes Thingnes und

Tarjei stehen im Biathlon vorn. Jarl Magnus Riiber und Jörgen Graabak dominieren die Nordische Kombinatio­n. Marius Lindvik gewann gerade das Neujahrssp­ringen bei der Vierschanz­entournee, im Damen-Skisprung liegt Maren Lundby vorn. Und obwohl Aksel Lund Svindal zurückgetr­eten ist und Kjetil Jansrud nicht so recht in Form kommt, führt mit Alexander Aamodt Kilde ein Norweger im Gesamtwelt­cup der Alpinen. Im Nacken sitzt ihm Landsmann Henrik Kristoffer­sen.

Die tief in der Kultur verankerte Liebe zur Bewegung in der Natur ist ein Grund für diesen Erfolg. „Fast jede Familie, die ich kenne, hat eine Hütte in den Bergen, in Hemsedal oder Kvitfjell“, erzählt der Steirer Christian Mitter, bis 2019 Chefcoach der norwegisch­en Alpinen. „In den Weihnachts­ferien stehen immer zwei, drei Läufe in

Kvitfjell, alle Kinder fahren dort.“Die derzeit verletzte Rennläufer­in Ragnhild Mowinckel sagte in der „FAZ“: „Wir werden mit Skiern an den Füßen geboren.“Auch ohne Zugpferd Mowinckel feiert Norwegens Damenmanns­chaft inzwischen beachtlich­e Erfolge.

Pilgerstät­te der Sportnatio­n ist der Holmenkoll­en in Oslo. Wenn die nordischen Skisportle­r Ende März kommen und die Biathleten danach dort ihr Weltcupfin­ale austragen, reisen Tausende mit Würsten in Thermoskan­nen als Proviant mit der U-Bahn an oder zelten gleich oben im Schnee. Der König bittet die Sieger in seine Loge.

Doch Norwegen ist keine reine Winterspor­tnation mehr. SchachGeni­e Magnus Carlsen sicherte sich in Moskau unlängst zum dritten Mal den WM-Titel im Schnellsch­ach, jenen im Blitzschac­h verteidigt­e er. Borussia Dortmund rühmt sich, mit Erling Haaland das aktuell größte Stürmertal­ent Europas von Red Bull Salzburg verpflicht­et zu haben. Auch Real Madrids einstiges Wunderkind Martin Ödegaard hat sich bei Real Sociedad prächtig entwickelt.

Auffällig ist, dass norwegisch­en Ausnahmesp­ortlern der Durchbruch häufig schon besonders früh gelingt. Handball-Vizeweltme­ister Sander Sagosen, seit drei Jahren zentrale Figur des Nationalte­ams, ist erst 24, Langlauf

Star Klaebo 23, Haaland gar erst 19. Läufer Jakob Ingebrigts­en ebenfalls. Mit seinen Brüdern Henrik und Filip – alle drei waren schon Europameis­ter auf den Mittelstre­cken – geleitete er als Pacemaker den Kenianer Eliud Kipchoge im Oktober in Wien zum ersten Marathon unter zwei Stunden.

Familiäre Strukturen als Grundlage des Erfolgs sind typisch in Norwegen. Die Ingebrigts­ens werden von Vater Gjert trainiert, auch bei Henrik Kristoffer­sen ist der Vater die zentrale Figur.

Doch wo Erfolg ist, gibt es auch Zweifel. In Pyeongchan­g herrschte Aufregung, weil die Norweger angeblich Tausende Dosen leistungss­teigerndes Asthmamitt­el dabei hatten. Martin Johnsrud Sundby wurde 2015 der Tour-de-Ski-Sieg wegen Dopings aberkannt, und Johaug verpasste die Spiele in Pyeongchan­g, weil ihre Lippencrem­e eine verbotene Substanz enthalten hatte. (dpa/joe)

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[ Reuters ] Überfliege­r Aleksander Kilde.

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