Klassik mit grünem Haar
Musik. Toby Dammit ist Schlagzeuger bei Iggy Pop oder Orgler bei Nick Cave & The Bad Seeds. Derzeit trommelt er allerdings im Wiener Burgtheater.
So nah saß er noch nie vorm Publikum. Normalerweise trommelt er auf Bühnen, wo noch eine Band als Pufferzone zu den Menschen dient. Bei Kay Voges’ Weltuntergangsoper „Dies Irae“im Wiener Burgtheater sitzt Larry Mullins alias Toby Dammit knapp vor der ersten Reihe. Dementsprechend vorsichtig nimmt er die Felle in Beschlag. Minimalistisch, aber doch maximal brutal.
Mit dem Team Kay Voges, Paul Wallfisch und Alexander Kerlin hat Mullins schon einen kernigen Soundtrack für „Elektra“geschaffen. „Es ist stets ein sehr offener Prozess. Wallfisch hat meist ein paar konzeptuelle Ideen und Vorstellungen bezüglich der Energie, die musikalisch vermittelt werden soll, die Anweisungen lauten ,entspannt‘, ,romantisch‘ oder ,stressig‘“, sagt er. „Ich habe eng mit den Schauspielern gearbeitet, weil es für die meisten ungewohnt war, einen dramatischen Text zu Kriegstrommeln zu rezitieren. Mir war wichtig, die Dinge möglichst simpel zu gestalten, denn dann ist es am eindringlichsten.“
Sein Sinn für das Drama war früh ausgeprägt. Vielleicht, weil er in Knoxville, einer beschaulichen, amerikanischen Provinzstadt, aufgewachsen ist. „Das war totales Hillbilly-Territorium. Mein Musiklehrer Ken Jarnagin gab mir früh Bücher über Berlioz, Mozart und Bach. Das hat mich sehr stimuliert. Und so studierte ich klassische Perkussion.“Es war alles gut, bis Edward Crooke, so heißt Mullins resp. Dammit mit Geburtsnamen, eines Tages Bekanntschaft mit dem Punk in Form des Iggy-&-The-Stooges-Albums „Raw Power“machte.
Briefe an Iggy Pop
„Zum Entsetzen meines Lehrers und meiner Eltern begann ich, dieses wilde Zeug zu lieben. Noch machte ich in der Klassik weiter, gewann Wettbewerbe trotz grüner Haare.“Er legte sich ein Drumset zu und begann in lokalen Bands zu spielen und ernsthaft Geld zu verdienen. „Da war ich 14, und es war eigentlich illegal, dass ich in Bars auftrat.“Bald ließ er die klassische Ausbildung gänzlich fallen. Irgendwann hatte er die närrische Idee, in der Band seines Punk-Vorbilds Iggy Pop spielen zu wollen.
„Heute würde man sagen, ich hätte ihn gestalkt“, sagt er. „Ich war damals 18 und überzeugt davon, dass es nur so ginge. Ich schrieb ihm Briefe und ließ ihm Kassetten von meinem Schlagzeugspiel über seine Roadies zukommen. Er hatte damals eine katastrophale Band. Ich dachte ernstlich, dass ich seine Probleme lösen könnte. Irgendwann packte ich mein Schlagzeug in mein Auto und besuchte seine Auftritte in Ohio. Das Drumset hatte ich mit, um ihm eventuell auf dem Parkplatz vorspielen zu können. Niemand, der mich damals kannte, konnte glauben, dass das tat. Aber mir schien es richtig. Und ich hatte recht.“
Iggy Pops Roadies haben ihn bedroht, der Tourmanager war von ihm entnervt. Nichts ergab sich zunächst. Erst ein paar Jahre später in Kalifornien kam es eher zufällig zu einem Vorspieltermin. „Iggy gefiel mein Spiel, und er rief mich persönlich an, um es mir zu sagen. Das war es dann. Ich habe ihn neun Jahre lang begleitet. Wir wurden gute Freunde. Ich durfte sogar sein Catsitter sein.“Ein besonderes Highlight war dann noch die Tournee 2015, auf der Dammit den legendären verstorbenen Stooges-Schlagzeuger
Scott Asheton ersetzte. „Wien war ein besonders guter Gig. Da gab es ein Gewitter in der Open-Air-Arena und die Stimmung war großartig.“
Lieber Berlin statt Paris
Im Lauf der Jahre arbeitete er viel mit dem Franzosen Bertrand Burgalat, der ihm den aus einer Erzählung von Edgar Allan Poe stammenden Namen Toby Dammit verpasste. Gelebt hat er allerdings nie in Paris. Als er sich 2003 entschied, nach Europa zu gehen, suchte er sich Berlin aus. Dort war unter anderem sein Freund Thomas Wydler, mit dem er heute in Nick Caves Band spielt. „An Berlin liebe ich, dass es viel langsamer ist. Und außerdem fünfmal billiger als Paris. Oslo habe ich auch fünf Jahre lang ausprobiert. Und womöglich wird es jetzt Wien.“
Die Film- und Theaterwelt hat er mit seiner Musik jedenfalls erobert. Jim Jarmusch und Johnny Depp verwendeten Sounds von ihm. Und auch in Europa ist er diesbezüglich sehr agil. In der Fernsehserie „Babylon Berlin“triumphierte er überdies als Jazzschlagzeuger Willy Schuricke. Und heuer geht er wieder mit Nick Cave auf Walz. Nicht als Rhythmusmann, sondern als Orgler. „Die Musik ist glücklicherweise nicht zu kompliziert. Deshalb schaffe ich es gerade. Die suchten keinen Virtuosen, sondern jemanden, mit dem sie sich wohlfühlen.“