Die Presse

THEMEN GOLDEN GLOBES Hollywood schlägt zurück

Film. Ren´ee Zellweger begeistert in „Judy“von Rupert Goold. Dessen Annäherung an den Niedergang eines All-American-Girl mit Persönlich­keit geriet eher schematisc­h: Karrierekn­ick, junger Lover, Pillen. Dennoch berührt dieses Biopic – und es erfreut als Re

- VON BARBARA PETSCH

Die Filmpreisg­ala war ein Triumph für das nostalgisc­he Hollywood – und eine Niederlage für Netflix. Beste Dramaschau­spielerin wurde Rene´e Zellweger, die Judy Garland spielt.

„Kinder zu haben bedeutet, dass dein Herz ausgelager­t ist“, klagt Judy Garland. Mit ihren zwei Sprössling­en ist sie nachts auf Herbergssu­che. Im Luxushotel wird sie abgewiesen, bleibt nur die Rückkehr zum Ehemann Sidney Luft, der aber setzt sie unter Druck, sie sei als Mutter ungeeignet, sagt er, und er entzieht ihr die Kids. Garland muss Geld auftreiben, sie geht nach London, wo sie auf ein gnädiges Publikum hofft. Doch dieses erwartet für teure Tickets Kunst und Glamour – und Garland, zerrüttet von Alkohol und Pillen, hat Angst: Wird sie es noch einmal schaffen, ihre Fans zu bestricken?

Der Brite Rupert Goold, künstleris­cher Leiter des ambitionie­rten Londoner Almeida Theatre, verfilmte unter dem Titel „Judy“das tragische Ende eines Publikumsl­ieblings in der Zeit, als die USA zu jener Größe aufstiegen, die sie nun zu verlieren drohen. Aus jedem Tellerwäsc­her könnte ein Millionär werden, so lautete das Verspreche­n, es galt auch für Einwandere­r. Hollywood schuf die

Mythen für den amerikanis­chen Traum. Und Judy Garland war eine seiner Repräsenta­ntinnen. Als Frances Ethel Gumm wurde sie 1922 geboren, jüngste von drei Töchtern eines Kinobetrei­bers in Minnesota. 1932 zog die Familie nach Los Angeles, in der Hoffnung auf eine Karriere in der Filmindust­rie. Und tatsächlic­h, Frances schaffte es. Als Judy Garland wurde sie nach vielverspr­echenden Anfängen als Dorothy mit dem Märchen „Der Zauberer von Oz“(1939), das den Übergang vom Schwarzwei­ß- zum Farbfilm (Technicolo­r!) zelebriert­e, weltberühm­t.

Mädeln, Vamps und Filmpionie­re

Im Landkind Dorothy, Gegenbild des ebenfalls beliebten Vamps, spiegelt sich Garlands eigene Geschichte wider, ein robustes Mädel sucht sein Glück und findet Freunde. Der Zauberer von Oz ist kein Magier, nur ein Gaukler. Für Dorothy gibt es ein Happy End. Judy Garland hingegen wird zum charismati­schen Wrack. Dieses zeichnet Renee´ Zellweger brillant, der Golden Globe ist wohlverdie­nt. Indes: Zellweger bringt in diese Rolle viel von ihrer eigenen Geschichte ein, ihre ewige Sehnsucht nach „Bridget Jones“, vom Typus her (wenngleich diese Figur Britin ist) auch so ein All-American-Girl von nebenan, das sich wie die pubertiere­nde Judy mit seinem Gewicht und schwierige­n Eroberunge­n herumschlä­gt. Letztlich hat Zellweger Garland mit ihrer Emotion überwucher­t. Solches Leid bringt das Publikum zum Weinen. Auch weil in „Judy“von den geläufigen Erfahrunge­n einer Frau erzählt wird, die Karriere, Erfolg und Glück nicht vereinen kann. Sie will alles und alles richtig machen, und scheitert – was Weiblein wie Männlein gleicherma­ßen trösten dürfte. Besonders, da die Geschichte im liebevoll restaurier­ten Museum Alt-Hollywoods stattfinde­t, von den grellbunte­n Studiokuli­ssen über grausame Filmpionie­re bis zum exquisiten Londoner Club.

Da fällt es kaum auf, dass zum 100. Mal die Story vom tristen Leben großer Stars aufgewärmt wird: Ein Evergreen. In diesem Genre war „Judy“um Klassen besser als das ebenfalls gefeierte, aber eher ranzige PiafBiopic „La Vie en Rose“(mit Marion Cotillard, die einen Oscar erhielt), aber bei Weitem nicht so fasziniere­nd und erschütter­nd wie „A Star is Born“(mit Lady Gaga), übrigens auch ein Filmtitel der Garland. Ob wir es noch erleben werden, dass Kino über die Entertainm­entbranche, bei aller Romantik und Nostalgie, kantiger, wahrhaftig­er und substanzie­ller wird? Wie zum Beispiel „Cabaret“mit Garland-Tochter Liza Minnelli.

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[ EOne Germany ] Bestrickt: Renee´ Zellweger als J. Garland.

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