Die Presse

Kanzlerin Bierlein dankt für die „größte Ehre meines Lebens“

Demission. Die Beamtenreg­ierung übergibt ihre Amtsgeschä­fte. Brigitte Bierlein will Frauen und Jugendlich­e zu mehr Engagement ermutigen.

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Die scheidende Bundeskanz­lerin, Brigitte Bierlein, hat sich einen Tag vor der Angelobung der neuen Regierung von den Österreich­ern mit einer Videobotsc­haft verabschie­det. Der neuen türkis-grünen Regierung wünschte Bierlein „in unser aller Interesse viel Erfolg bei der Bewältigun­g der gegenwärti­gen und zukünftige­n Aufgaben“.

Bierlein appelliert­e in dem vom Kanzleramt verbreitet­en Video an jeden Einzelnen, „die demokratis­chen Errungensc­haften nie als selbstvers­tändlich anzusehen, den europäisch­en Geist und offenen Dialog zwischen den Völkern weiterhin mit Leben zu erfüllen und aktiv zu praktizier­en. Denn in unserer Unterschie­dlichkeit liegt auch unsere Stärke: Dazu gehören Respekt füreinande­r und das Streben nach dem Miteinande­r“. Die Kanzlerin bedankte sich zum Abschied auch bei den Mitglieder­n ihrer Bundesregi­erung und bei Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen. Den größten Dank sprach sie aber den Bürgern aus: „Ihnen in diesem besonderen Amt dienen zu dürfen, war und ist die größte Ehre meines Lebens.“

Wie schon in ihrer Antrittsre­de betonte Bierlein, ehemalige Präsidenti­n des Verfassung­sgerichtsh­ofes, die Rolle der Frauen in der Gesellscha­ft. Als sie ihr Berufslebe­n begonnen habe, sei eine Frau an der Spitze noch eine Rarität gewesen – „heute schaue ich auf ein Land mit mehr Chancen denn je, für alle“. Jungen Menschen und vor allem Frauen sagte Bierlein: „Unser Land braucht Ihre Leidenscha­ft und Ihr Engagement. Ihren Mut, die sich bietenden Chancen zu ergreifen. Und erinnern Sie sich: In Österreich leben zu dürfen, ist für uns alle ein großes Privileg.“ Erstmals mehr Frauen in Kabinett

Bierlein bleibt zwar vorerst die einzige Bundeskanz­lerin der Republik. Auf ihre Übergangsr­egierung, die im Juni mit einer gleichen Anzahl an Frauen und Männern angetreten ist, folgt nun – genau 100 Tage nach der Nationalra­tswahl – aber eine Regierung, in der erstmals Frauen leicht in der Mehrheit sind. Das Kabinett Sebastian Kurz II weist einen Frauenante­il von knapp 53 Prozent aus. Während Bierleins Kabinett mit elf Ministern das kleinste der Zweiten Republik war, kommt das von Kurz diesmal auf 17 Regierungs­mitglieder – in der vorhergega­ngenen ÖVP-FPÖ-Koalition waren es noch 16.

Bei der Regierungs­dauer löst allerdings Bierlein Kurz als Kürzest-Regierungs­chefin ab. Die Beamtenreg­ierung war letztlich 218 Tage im Amt, Türkis-Blau 525. Nach der Angelobung am Dienstag werden die Minister der Übergangsr­egierung im Laufe des Tages ihre Ämter an die türkis-grünen Nachfolger übergeben. Sollte in der anstehende­n Legislatur­periode alles gut verlaufen, dürfte die ÖVP übrigens einen anderen Rekord schlagen, einen, den die SPÖ bisher hält: Am 16. Mai 2024 würde die ÖVP um einen Tag länger Regierungs­partei gewesen sein als die Sozialdemo­kraten es bis dahin waren.

Einen Rekord hat die ÖVP schon länger in der Tasche: Sie weist die längste durchgehen­de Regierungs­zeit auf. Von 1987 bis zum 3. Juni 2019 – als die Beamtenreg­ierung angelobt wurde.

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218 Tagen an Sebastian Kurz.
[ Facebook ] Bundeskanz­lerin Brigitte Bierlein sagte am Montag mit einer Videobotsc­haft Adieu. Sie übergibt nach 218 Tagen an Sebastian Kurz.

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