Leitartikel von Thomas Prior
Türkis-Grün drängt die FPÖ in der Migrationspolitik nach rechts, verschärft die Richtungsdebatte in der SPÖ und zwingt die Neos in eine neue Marktlücke.
K riminelle Muslima“war einer jener grenzüberschreitenden Kommentare, die auf den Facebook-Seiten führender FPÖ-Politiker zuletzt über die Justizministerin in spe, Alma Zadic,´ zu lesen waren. Die Kritik an ihren Positionen – etwa zur Sicherungshaft – war für viele Poster nur ein Vorwand, um zum Ausdruck zu bringen, was sie wirklich stört: ihre Herkunft (Bosnien) und ihr angeblich muslimischer Hintergrund, der so manchen schon befürchten ließ, dass nun die Scharia in Österreich eingeführt werde. Dabei ist Alma Zadic´ ohne Religionsbekenntnis.
Falsch ist auch, dass sie im November wegen übler Nachrede zu einer Geldstrafe von 700 Euro verurteilt wurde, wie die FPÖ behauptet hatte. Es handelt sich um eine Entschädigungszahlung nach dem Medienrecht, weil Zadic´ einen Tweet geteilt hatte, der einen Burschenschafter in ein schlechtes Licht rückte. Außerdem ist das Urteil noch nicht einmal rechtskräftig.
Man kann der FPÖ nicht vorwerfen, dass sie ihr Oppositionsgeschäft erledigt und Herbert Kickl in Schutz nimmt, der trotz seiner „Unbescholtenheit“kein zweites Mal von Alexander Van der Bellen als Minister angelobt worden wäre. Aber dass sie dabei Halbwahrheiten in die Welt setzt und rassistische Postings unwidersprochen lässt, ist besorgniserregend. Und vielleicht schon ein Vorgeschmack auf die nächsten fünf Jahre. Die FPÖ hat wohl nicht damit gerechnet, dass die Grünen Sebastian Kurz gestatten werden, das Migrationskapitel aus dem türkis-blauen Regierungspakt mehr oder weniger unverändert in den türkis-grünen zu überführen. Daraus folgt offenbar der Schluss, dass die FPÖ nur dann wieder erfolgreich sein kann, wenn sie die ÖVP rechts überholt und für Zuspitzung sorgt.
Einigermaßen ratlos, wie sie der neuen Regierung begegnen soll, scheint dagegen die SPÖ. Hart, aber fair, lautet das oppositionelle Versprechen führender Sozialdemokraten. Ja, eh. Aber von welcher inhaltlichen Basis ausgehend?
Türkis-Grün wird die Richtungsdebatte in der SPÖ weiter verschärfen. Denn die Grünen sind durch den Pakt mit der ÖVP notgedrungen in die politische Mitte gerückt. Was also tun? Angriffe von links wären wenig glaubwürdig, weil auch in der SPÖ einige für die Sicherungshaft sind, etwa im Burgenland, wo demnächst ein neuer Landtag gewählt wird.
Man kann Hans Peter Doskozils Version der SPÖ – sozialpolitisch links, migrationspolitisch restriktiv – gut finden oder kritisieren. Aber der burgenländische Landeshauptmann hat wenigstens eine klare Linie, was man vom Rest der Partei nicht behaupten kann. Außerhalb des Burgenlands ist die SPÖ nach wie vor von allem ein bisschen: ein bisschen links hier, ein bisschen pragmatisch da, und neuerdings auch ein bisschen Umweltpartei. Und über allem schwebt die Phrase der sozialen Gerechtigkeit, von der man noch nicht weiß, wie man sie in eine moderne Politik übersetzen soll. Millionärssteuern allein werden höchstwahrscheinlich nicht ausreichen.
Hinzu kommt, dass die Grünen am Samstag gezeigt haben, wie man die Parteibasis erfolgreich einbindet. Keine Frage: Werner Kogler, als Bundessprecher derzeit unantastbar, kann hier ein größeres Risiko eingehen als die ohnehin angezählte Pamela Rendi-Wagner. Aber die Rufe nach mehr innerparteilicher Demokratie in der SPÖ dürften lauter werden.
Und dann wären da noch die stets korrekten Neos, die sich recht erfolgreich ein Transparenzmonopol erarbeiteten, nachdem die Grünen 2017 aus dem Nationalrat geflogen waren. Die schlechte Nachricht für sie ist, dass die Grünen nicht nur zurück sind, sondern sich nun auch anschicken, ihre alten Forderungen in einer Regierung umzusetzen. Der Rechnungshof spendete bereits Beifall für das Versprechen, mehr Einschau in die Parteifinanzen und in staatsnahe Unternehmen zu bekommen.
Als Marktlücken bieten sich weiterhin die Bildung (bei der die grüne Handschrift kaum lesbar ist) und die Pensionen (bei denen sich der türkis-grüne Reformeifer in Grenzen hält) an. Aber mehr denn je wird es für die Neos um Abgrenzung von jenen Parteien gehen, denen sie inhaltlich am nächsten stehen. Und die jetzt gemeinsam eine Regierung bilden.