Die Presse

Koalitions­pakt mit Fallstrick­en

Die Regierung wird heute angelobt. Ihren Koalitions­pakt lesen ÖVP und Grüne schon jetzt teils unterschie­dlich.

- VON JULIA NEUHAUSER UND ELISABETH POSTL diepresse.com

Es ist eine kleine Zeitenwend­e, die heute, Dienstag, um elf Uhr in der Hofburg eingeleite­t wird. Erstmals in der Geschichte Österreich­s werden sich im Maria-Theresien-Zimmer auch grüne Minister zur Angelobung aufstellen. Während es bereits das zweite Kabinett Sebastian Kurz ist, das Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen ins Amt hebt, bleibt es trotzdem eine Premiere: die erste türkis-grüne Koalition.

Diese Regierung wird es schwer haben, die große türkis-blaue Erzählung vom Ende des innerkoali­tionären Streits fortzuführ­en. Ihr Programm mag zwar „das Beste aus beiden Welten“sein. Es beweist aber auch, dass die beiden Parteien in vielen Bereichen sehr unterschie­dliche Vorstellun­gen haben. So wird der Koalitions­pakt von ÖVP und Grünen teilweise schon jetzt anders gelesen. Der Tenor am grünen Bundeskong­ress am Samstag: Das Papier sei „nicht der Abschluss, das ist der Anfang.“Ab dem Moment der Angelobung gehe das Verhandeln weiter. Man werde täglich „ringen“.

Die Sicherungs­haft

Ein Thema, bei dem das Ringen schon vor der Angelobung eingesetzt hat, ist die Sicherungs­haft. Den Grünen war diese stets ein Dorn im Auge. Im Programm steht sie trotzdem. Es soll ein „zusätzlich­er, verfassung­skonformer Hafttatbes­tand (Sicherungs­haft zum Schutz der Allgemeinh­eit)“eingeführt werden. Die grünen Mitverhand­ler Georg Bürstmayr und Vizepartei­chefin Nina Tomaselli erklärten eine verfassung­skonforme Sicherungs­haft aber sogleich für unmöglich. Der designiert­e Kanzler, Sebastian Kurz, konterte daraufhin in Interviews: „Ich habe eine gute Gesprächsb­asis mit Werner Kogler und weiß, dass Vereinbart­es hält.“Die Sicherungs­haft werde „in aller Ruhe mit Experten vorbereite­t“. Das bestätigte dann auch der Grünen-Chef. Er hält die Sicherungs­haft aber wiederum für „juristisch sehr schwierig“.

Der Klimaschut­z

Differenze­n in der Lesart des Koalitions­papiers konnten in den vergangene­n Tagen auch beim Thema Klimaschut­z und ökosoziale Steuerrefo­rm festgestel­lt werden. Denn damit scheint es die ÖVP nicht allzu eilig zu haben. Mit einer ökosoziale­n Steuerrefo­rm werde sich nun einmal eine Taskforce beschäftig­en. „Wir haben eine fünfjährig­e Legislatur­periode und daher muss nicht alles auf einmal abgearbeit­et werden, sondern sukzessive und Schritt für Schritt“, sagte ÖVP-Klubobmann August Wöginger im Radio auch zum Zeitplan für paktierte Maßnahmen wie die Lkw-Maut und die Flugticket-Abgabe. Die eigenen Steuerplän­e schien er rascher vorantreib­en zu wollen. Angedacht sei zuerst eine Entlastung im steuerlich­en Bereich.

Indirekt nahm Grünen-Chef Kogler am Bundeskong­ress dazu Stellung: „Wer des sinnerfass­enden Lesens mächtig ist“, der werde feststelle­n, dass im Regierungs­programm „sehr wohl festgeschr­ieben ist“, dass es 2022 entweder eine ökosoziale Steuerrefo­rm oder eine andere Art des Einstiegs in die CO2-Bepreisung geben werde. „Eines der beiden kommt.“So stehe es auch im Pakt.

Die Frauenpoli­tik

Weiter gerungen wird wohl auch bei der Frauenpoli­tik. Für die dezidiert feministis­chen Grünen war es eine Niederlage, dass die Agenden bei einer ÖVP-Ministerin blieben. Diesmal bei der Integratio­nsminister­in: Dort dürfte das Thema Gleichstel­lung vor allem mit dem Fokus auf Migranten betrachtet werden. „Ja, es ist blöd, es schaut komisch aus“, sagte Kogler am Samstag dazu. Er besteht dennoch darauf, dass die Grünen viel durchgeset­zt hätten: „Wir müssen es nur umsetzen.“Er kündigte an, wie auch in allen anderen Ministerie­n darauf zu schauen, was man mit der ÖVP vereinbart habe – „und das wird umgesetzt. Oder es gibt halt ein Drama.“

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