Koalitionspakt mit Fallstricken
Die Regierung wird heute angelobt. Ihren Koalitionspakt lesen ÖVP und Grüne schon jetzt teils unterschiedlich.
Es ist eine kleine Zeitenwende, die heute, Dienstag, um elf Uhr in der Hofburg eingeleitet wird. Erstmals in der Geschichte Österreichs werden sich im Maria-Theresien-Zimmer auch grüne Minister zur Angelobung aufstellen. Während es bereits das zweite Kabinett Sebastian Kurz ist, das Bundespräsident Alexander Van der Bellen ins Amt hebt, bleibt es trotzdem eine Premiere: die erste türkis-grüne Koalition.
Diese Regierung wird es schwer haben, die große türkis-blaue Erzählung vom Ende des innerkoalitionären Streits fortzuführen. Ihr Programm mag zwar „das Beste aus beiden Welten“sein. Es beweist aber auch, dass die beiden Parteien in vielen Bereichen sehr unterschiedliche Vorstellungen haben. So wird der Koalitionspakt von ÖVP und Grünen teilweise schon jetzt anders gelesen. Der Tenor am grünen Bundeskongress am Samstag: Das Papier sei „nicht der Abschluss, das ist der Anfang.“Ab dem Moment der Angelobung gehe das Verhandeln weiter. Man werde täglich „ringen“.
Die Sicherungshaft
Ein Thema, bei dem das Ringen schon vor der Angelobung eingesetzt hat, ist die Sicherungshaft. Den Grünen war diese stets ein Dorn im Auge. Im Programm steht sie trotzdem. Es soll ein „zusätzlicher, verfassungskonformer Hafttatbestand (Sicherungshaft zum Schutz der Allgemeinheit)“eingeführt werden. Die grünen Mitverhandler Georg Bürstmayr und Vizeparteichefin Nina Tomaselli erklärten eine verfassungskonforme Sicherungshaft aber sogleich für unmöglich. Der designierte Kanzler, Sebastian Kurz, konterte daraufhin in Interviews: „Ich habe eine gute Gesprächsbasis mit Werner Kogler und weiß, dass Vereinbartes hält.“Die Sicherungshaft werde „in aller Ruhe mit Experten vorbereitet“. Das bestätigte dann auch der Grünen-Chef. Er hält die Sicherungshaft aber wiederum für „juristisch sehr schwierig“.
Der Klimaschutz
Differenzen in der Lesart des Koalitionspapiers konnten in den vergangenen Tagen auch beim Thema Klimaschutz und ökosoziale Steuerreform festgestellt werden. Denn damit scheint es die ÖVP nicht allzu eilig zu haben. Mit einer ökosozialen Steuerreform werde sich nun einmal eine Taskforce beschäftigen. „Wir haben eine fünfjährige Legislaturperiode und daher muss nicht alles auf einmal abgearbeitet werden, sondern sukzessive und Schritt für Schritt“, sagte ÖVP-Klubobmann August Wöginger im Radio auch zum Zeitplan für paktierte Maßnahmen wie die Lkw-Maut und die Flugticket-Abgabe. Die eigenen Steuerpläne schien er rascher vorantreiben zu wollen. Angedacht sei zuerst eine Entlastung im steuerlichen Bereich.
Indirekt nahm Grünen-Chef Kogler am Bundeskongress dazu Stellung: „Wer des sinnerfassenden Lesens mächtig ist“, der werde feststellen, dass im Regierungsprogramm „sehr wohl festgeschrieben ist“, dass es 2022 entweder eine ökosoziale Steuerreform oder eine andere Art des Einstiegs in die CO2-Bepreisung geben werde. „Eines der beiden kommt.“So stehe es auch im Pakt.
Die Frauenpolitik
Weiter gerungen wird wohl auch bei der Frauenpolitik. Für die dezidiert feministischen Grünen war es eine Niederlage, dass die Agenden bei einer ÖVP-Ministerin blieben. Diesmal bei der Integrationsministerin: Dort dürfte das Thema Gleichstellung vor allem mit dem Fokus auf Migranten betrachtet werden. „Ja, es ist blöd, es schaut komisch aus“, sagte Kogler am Samstag dazu. Er besteht dennoch darauf, dass die Grünen viel durchgesetzt hätten: „Wir müssen es nur umsetzen.“Er kündigte an, wie auch in allen anderen Ministerien darauf zu schauen, was man mit der ÖVP vereinbart habe – „und das wird umgesetzt. Oder es gibt halt ein Drama.“