Biotechkauf wird für Novartis teuer
Der Schweizer Pharmariese hofft mit dem Cholesterinsenker von The Medicines auf einen Kassenschlager, aber das Medikament ist noch nicht einmal zum Verkauf zugelassen.
Die Biotechfirma The Medicines hat noch kein einziges Produkt auf dem Markt. Trotzdem griff der Schweizer Pharmariese Novartis für die US-Firma tief in die Tasche. Die 9,7 Milliarden Dollar schwere Übernahme wurde abgeschlossen und der Handel mit den Aktien von The Medicines an der US-Technologiebörse Nasdaq eingestellt.
Die Basler setzen dabei auf einen Cholesterinsenker, um ihr Herz-Kreislauf-Portfolio um einen potenziellen Verkaufsschlager zu erweitern. Die Sparte schwächelte in den vergangenen Jahren. Die Verkaufszahlen des einstigen Umsatzrenners Diovan gegen hohen Blutdruck brachen nach dem Auslaufen des Patentschutzes im Jahr 2012 ein.
Nun soll The Medicines die Lücke mit dem Cholesterinsenker Inclisiran füllen. Es ist das einzige Produkt der neuen Tochter und noch nicht zum Verkauf zugelassen. In den kommenden Wochen ist geplant, dass The Medicines in den USA den Zulassungsantrag für sein cholesterinsenkendes Medikament einreichen wird. In der EU soll das im ersten Quartal 2020 geschehen.
Klappt das, verspricht sich Novartis ab 2021 Umsatzbeiträge von Inclisiran und sogar gute Gewinne. Gleichzeitig dämpft Novartis-Konzernchef Vasant Narasimhan die hohen Erwartungen. Novartis erwerbe ein Präparat, das mittel- bis langfristig ein wichtiger Wachstumstreiber sein könnte, sagte der Amerikaner bei der Bekanntgabe des Deals im vergangenen November. Mit dieser vorsichtigen Formulierung dürfte Narasimhan aus Fehlern in der Vergangenheit gelernt haben. Denn das Herzmedikament Entresto wurde bei der Markteinführung als Umsatzrenner angepriesen, kämpfte dann aber lange mit Anlaufschwierigkeiten. Ein Grund dafür war auch der Preis, den einige Marktbeobachter als zu hoch erachtet hatten.
Das per Injektion verabreichte Inclisiran müsste sich gegen die Konkurrenz wie Praluent von Sanofi und Regeneron Pharmaceuticals oder Repatha von Amgen behaupten. Vorteile verspricht die Medicines-Arznei vor allem durch eine deutlich geringere Verabreichungsdichte: Praluent und Repatha müssen alle zwei Wochen gespritzt werden, Inclisiran lediglich zweimal pro Jahr.
Die Europhorie am Markt bleibt aus. An der Börse in Zürich fielen die Papiere mit Abgaben von einem halben Prozent allerdings kaum auf. Denn auch der Schweizer Leitindex SMI gab ähnlich viel nach.
Schon bei Bekanntgabe der Übernahmepläne waren die Analystenkommentare unterschiedlich ausgefallen. Während einige Experten darin zwar durchaus strategische Vorteile sahen, machten sich andere Gedanken um das Kommerzialisierungspotenzial. Immerhin hätten sich einige Konkurrenten bereits in das Gebiet der Cholesterinbekämpfung mit ähnlichen Behandlungsansätzen gewagt. Das Ergebnis sei eher enttäuschend gewesen.
Zusätzlich war die Übernahme nicht billig. Die Schweizer zahlten 85 Dollar je Aktie – ein Preis, den Novartis selbst in einem Dokument für die US-Wertpapieraufsicht SEC als möglicherweise überzogen bezeichnete. Bis Ende der Angebotsfrist wurden dem Basler Unternehmen rund 75 Prozent der Aktien angedient. Die noch verbliebenen Aktionäre will Novartis gegen eine Barabfindung von ebenfalls 85 Dollar je Aktie aus dem Unternehmen herausdrängen.