Ein musikalischer Sieg, der außer Frage steht
150 Jahre Musikvereinsgebäude. Unter Semyon Bychkov jubilierten Philharmoniker, Singverein und Gäste.
Wuchtig und schwer lastet das Joch der Fremdherrschaft auf den Niederländern. Beethoven macht am Beginn der „Egmont“Ouvertüre die spanischen Unterdrücker mit einer Sarabande kenntlich – und wenn Semyon Bychkov am Pult der Philharmoniker steht, dieser Zeremonienmeister der Opulenz, klingt das extra klangsatt, sogar pastos.
Eigentlich geht es an diesem Vormittag um beispiellosen Jubel, der dreimal erschallt: Auch im himmlischen Musizierüberschwang eines Chors aus Haydns „Schöpfung“, ja; ganz irdisch nach wilden Allegrokämpfen am Schluss der „Egmont“Ouvertüre sowie zuletzt in Beethovens Fünfter. Findet dort nach überwundener Düsternis die Revolutionsbegeisterung kaum ein Ende, ist das auch ein Symbol für die Freude an diesem Haus mit seinem Goldenen Saal.
Wenn der Musikverein Jubiläum feiert, kann Beethoven nicht fehlen, schon allein rechnerisch: Am 6. Jänner 1870, also zufällig zum Hunderter des Wahlwieners aus Bonn, wurde die prunkvolle Heimstatt des bürgerlichen Musiklebens eröffnet; Großtat eines anderen Zugereisten, des aus Kopenhagen stammenden Architekten Theophil Hansen. Das „unicum“von einem Konzertsaal
Nicht von Ungefähr kam damals der Gedanke des Kritikers Theodor Helm, den Musikverein just mit jenen Räumlichkeiten zu vergleichen, in denen Beethoven seine Neunte präsentiert hatte, ging es doch um die Pflege der arrivierten „Klassiker“: „Im Ganzen vereint der neue Concertsaal die auf Massenwirkung gerichtete Akustik des großen Redoutensaales mit jener feinen Detailplastik des Kärntnerthortheaters und ist daher wohl als unicum zu bezeichnen.“
Das retrospektive Programm des Eröffnungskonzerts blieb alles andere als ein Unikum: Es war schon vor 25 Jahren mit Riccardo Muti neuerlich zu erleben. Zur Feier des 150. Geburtstags fiel nach dem Tod von Mariss Jansons Semyon Bychkov die Rolle des Hauptzelebranten zu: Unter seiner Leitung wurde Beethovens zweimaliger utopischer Durchbruch aus Nacht und Verzweiflung ins Licht von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit weniger im Augenblick neu durchlebt, sondern vielmehr als Geschichte in so beruhigendem Tonfall nacherzählt, dass der gute Ausgang nie infrage stand.
Zwischendurch wurde der Saal durch eine bunte Nummernfolge von allen akustischen Seiten präsentiert. Kammermusikalisch, zugleich mit romantischer Emphase tönte das Adagio aus Bachs Violinkonzert BWV 1042, das Anne-Sophie Mutter als Preziose auf den Samt der philharmonischen Spieltradition bettete. Und mag die „schwellende Brust“auch schon von zunehmend heldischer Luft erfüllt sein: Für einen g’standenen Lohengrin – ab Donnerstag erstmals auch an der Staatsoper – ist Piotr Beczała ein respektabler Belmonte geblieben. Die innigsten Momente des Vormittags aber waren Schubert und dem Wiener Singverein zu verdanken.