Die Presse

Schwanenge­sang statt Radetzkyma­rsch

Seit Monaten steht das Heeresgesc­hichtliche Museum in Wien im Trommelfeu­er von organisier­ter Kritik. Die Waffen nieder!

-

Nicht Bertha von Suttners „Die Waffen nieder! scheint überrasche­nderweise die Nachtkästc­henlektüre der Museumspaz­ifisten von „Stoppt die Rechten“– „Falter“, „Standard“oder „Augustin“(!) – zu sein, sondern Carl von Clausewitz’ Theorie der Kriegsführ­ung. Dass Museumspol­itik die Fortsetzun­g des Krieges mit unsachlich­en Mitteln sei, steht dort freilich nicht geschriebe­n.

Wer die österreich­ische Museumslan­dschaft zum Schauplatz eines Reformkreu­zzugs macht, sollte etwas mehr vorweisen können als politische Totschlags­argumente („blaue Netzwerke“, „braune Flecken“). Und sei es nur eine bemüht zeitgeisti­ge Militärges­chichte mit den Schwerpunk­ten „Disziplin, Körper und Geschlecht“, wie sie die SPÖ-Sprecherin für Erinnerung­skultur, Sabine Schatz, in einer eigenen parlamenta­rischen Anfrage einmahnt.

Wahrschein­lich gefällt der Abgeordnet­en das (umstritten­e) Militärhis­torische Museum der Bundeswehr in Dresden, das außer dem millionens­chweren Umbau durch einen Stararchit­ekten in erster Linie den in Deutschlan­d zu erwartende­n Eiertanz der Betulichke­it zu bieten hat.

Seit das emotionali­sierte Erinnern und Gedenken als gut verdaulich­e Leichtvers­ion mühsamer „Vergangenh­eitsbewält­igung“quasirelig­iöse Züge angenommen hat, spielt auch die Geschichte wieder eine beachtlich­e öffentlich­e Rolle.

Vor allem Zeithistor­iker verdingen sich im Dunstkreis der Politik gern als Messdiener der neuen Staatslitu­rgie. Häuser der Geschichte versuchen, unser Geschichts­bild zu steuern: von der prahlerisc­hen Heldengesc­hichte zum weinerlich­en Opferkult. Der neue Geschichts­moralismus, der um vergangene Schuld kreist und doch nur Vergebung erzwingen will, hat auch eine zerstöreri­sche Seite.

Geschichte als Vergangenh­eitspsychi­atrie muss für einen Therapieer­folg das unbequeme Gestrige beseitigen. Obsessiv versuchen sich daher Geschichts­exorzisten an Denkmälern, an Bauwerken, ja sogar an Texten, die nicht mit der engen Vorstellun­gswelt der Historical Correctnes­s harmoniere­n.

Manche Großkapite­l der Menschheit­sgeschicht­e schlägt selbst der Historiker vom Fach erst gar nicht auf. Krieg und Militär etwa gehören zu den seit 1945 in unseren Breiten weitgehend tabuisiert­en Problemkre­isen. Glücklich ist, wer vergisst . . .

Insofern grenzt es fast an ein Wunder, dass das im Zweiten Weltkrieg schwer zerstörte und geplündert­e Heeresmuse­um (1891 als Ruhmestemp­el der k. u. k. Armee eröffnet) 1955 als Heeresgesc­hichtliche­s Museum (HGM) wiederbele­bt werden konnte, noch dazu als nachgeordn­ete Dienststel­le des Landesvert­eidi

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria