Kunst und Kultur als koalitionäre Verschubmasse
Eigentlich hätte man Kunst und Kultur im Außenamt belassen und so alle Kulturagenden, auch die Auslandskultur, in einem Ministerium zusammenführen können.
Es ist vollbracht. Die angesagte Farbkombination der noch blutjungen 2020er-Jahre ist also türkisgrün. Das ungleiche Brautpaar, dem heute der bundespräsidentiale Segen erteilt werden soll, will mit einem möglichst stolperfreien Rechts-Links-Walzer in die gemeinsame Zukunft tanzen. Und? Gewagt, aber alternativlos.
Kurz und Kogler müssten nun die verschiedenen Milieus und ihre Anliegen zusammenführen, kommentierte etwa Matthias Krupa in der deutschen „Zeit“die mit einem 326-seitigen Vertrag abgesicherte Vernunftehe von ÖVP und Grünen: „Alt und Jung, Stadt und Land, Sicherheit und Ökologie. Wenn ihnen das gelingt, könnte Schwarz-Grün in Wien durchaus ein Modell werden – ein Bündnis, das Gegensätze vereint und eine neue Mitte schafft. Die Extremisten blieben dann dort, wo sie hingehören und wo sie kaum Schaden anrichten können: am Rande.“
Bildung, Klimawandel, Migration, Transparenz und Wirtschaft: Es wurden Brücken geschlagen, Grenzen abgesteckt, Ziele festgelegt. Nur Kunst und Kultur wurde im von K&K straff durchgetakteten Sondierungsmarathon offenbar eher nur gestreift und/oder diente als Verschubmasse. Dass es in der Kulturnation Österreich kein eigenes Kulturministerium gibt, ist betrüblich. Kultur ist kein Steckenpferd für elitäre Schöngeister, sondern identitätsstiftender Wirtschaftsfaktor: Mehr als 40 Millionen Gäste geben an, das Land wegen seiner Kultur und Natur zu besuchen.
Ob die Schaffung einer Museumsholding nach Vorbild der Bundestheaterholding (die beim Burgtheaterskandal bekanntlich keine sehr rühmliche Rolle spielte) als kulturpolitischer Leuchtturm durchgehen kann, wird davon abhängen, wer, ausgestattet mit welchen Kompetenzen, an deren Spitze berufen wird.
Vielleicht kommt dann ja doch noch Eva Blimlinger zum Zug. Die ehemalige Akademie-Rektorin und stellvertretende Vorsitzende des Kunstrückgabebeirats war im Vorfeld als kompetente und meinungsstarke Kulturministerin gehandelt worden. Doch dann wurde in letzter Minute Ulrike Lunacek mit dem Posten der Kulturstaatssekretärin versorgt. Was sie dafür qualifiziert? Gute Frage, wobei man ja auch nicht so recht weiß, was genau den studierten Philosophen (und Ex-Kulturminister) Gernot Blümel zum Finanzminister befähigt – außer seine treue Freundschaft zu Sebastian Kurz.
Die ehemalige EU-Abgeordnete Lunacek, die im Oktober 2017 den grünen Hinausflug aus dem österreichischen Parlament pilotierte, war jedenfalls in kulturellen Dingen bisher nicht gerade verhaltensauffällig.
Freilich hätte man die grüne Frauenquote erfüllen und gleichzeitig das Amt mit einer von beiden Koalitionspartnern anerkannten, parteilosen Expertin kompetent(er) besetzen können. Und statt die Kultur zum Vizekanzler zu verschieben, der auch nicht gerade der große Kunstauskenner ist, hätte man sie, mit oder ohne Lunacek, bei Alexander Schallenberg im Außenamt belassen und so endlich alle – auch die Auslands-, Kulturagenden in einem Ministerium zusammenführen können.
Der Außen- und Kulturminister der bisherigen Expertenregierung ist bekanntermaßen kulturaffin, ebenso sein Generalsekretär Peter Launsky-Tieffenthal, auch wenn der sich als Sprecher der türkis-blauen Regierung im eher linksliberalen Kunstmilieu einiges Missfallen eingehandelt hat. Und vielleicht hätte bei einem Verbleib der Kultur im Außenministerium ja doch ein grüner Aufpasser ins türkise Finanzministerium einziehen können – selbst wenn es entgegen grüner Quotenlogik ein Mann gewesen wäre?
Aber wie sagte Werner Kogler, der seine Partei mit enormem persönlichem Einsatz aus der außerparlamentarischen Opposition zurück in die Regierung geführt hat, richtigerweise über die türkisgrüne Regierungspartnerschaft: Demokratie heiße auch, Kompromisse nicht zu denunzieren, denn die Alternative könne nur ein autoritärer Staat sein.