Die Presse

Plastikste­uer soll Lücke füllen

Die Idee einer Steuer auf Plastikmül­l ist nicht neu: Sie soll zur Gänze ins Budget fließen, um die Beiträge der Mitgliedst­aaten möglichst niedrig zu halten.

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Aus der ganzheitli­chen Perspektiv­e betrachtet, sind die Beträge vernachläs­sigbar: Die Kluft, die zwischen dem EU-Budgetvors­chlag der Unionsmitg­lieder und jenem der EU-Kommission liegt, beträgt gerade einmal 0,04 Prozent der Wirtschaft­sleistung der Union – was momentan knapp sieben Mrd. Euro entspricht. Während die Brüsseler Behörde für den kommenden Finanzrahm­en 2021–2027 mit einem Jahresbudg­et in der Größenordn­ung von 1,11 Prozent der EUWirtscha­ftsleistun­g kalkuliert, ist der Rat lediglich dazu bereit, 1,07 Prozent in Erwägung zu ziehen. Hinzu kommt der Austritt des zweitgrößt­en Nettozahle­rs Großbritan­nien, der den Haushalt der Union nach dem Ablaufen der Übergangsf­rist Ende 2020 um weitere zehn Mrd. Euro schmälern dürfte.

Not macht bekanntlic­h erfinderis­ch – und das gilt auch für die Europäer. Kroatien, das seit Jahresbegi­nn den EU-Ratsvorsit­z innehat, bestätigte zu Wochenbegi­nn, dass Union und Mitgliedst­aaten über die Einführung einer Steuer auf Plastikmül­l debattiere­n, die zur Gänze ins EU-Budget fließen soll. „Wir stehen dieser Idee offen gegenüber“, sagt Kroatiens EU-Botschafte­rin, Irena Andrassy.

Der Vorschlag ist nicht neu. Bereits Anfang 2018 dachte man in der Kommission laut über die Einführung einer Plastikste­uer nach. Den damaligen Kalkulatio­nen zufolge sollte die Abgabe im Zeitraum 2021 bis 2027 insgesamt 42 Mrd. Euro einspielen – also sechs Mrd. Euro pro Jahr, was die Lücke in den Entwürfen von Rat und Kommission nahezu schließen würde.

Nach Informatio­nen der „Financial Times“sollen Diplomaten bereits informell die Bereitscha­ft zur Einführung der Steuer signalisie­rt haben, um die Beiträge der Mitgliedst­aaten möglichst niedrig zu halten. Auch seitens der „Sparsamen Fünf“– so wird in Brüssel die informelle Koalition aus Schweden, Dänemark, den Niederland­en, Deutschlan­d und Österreich bezeichnet – wird demnach mit Zustimmung gerechnet. Die fünf Nettozahle­r hatten zuletzt gefordert, das Budget müsse auf 1,0 Prozent der EU-Wirtschaft­sleistung herunterge­fahren werden. Eine Plastikste­uer wäre demnach ein Mittel, um einen Konflikt mit den Nettoempfä­ngern und dem Europaparl­ament (das noch mehr Geld fordert) zu entschärfe­n.

Es gibt allerdings ein Problem: Bis dato wollten die Unionsmitg­lieder der EU nicht das Pouvoir zugestehen, eigenhändi­g Steuern einzuheben. Eine Plastikste­uer als Eigenmitte­l wäre ein europapoli­tischer Quantenspr­ung. Politisch stehen die Sterne momentan günstig. In Österreich gelten die seit Dienstag mitregiere­nden Grünen als Befürworte­r von Ökosteuern im Allgemeine­n und einer Stärkung der EU-Institutio­nen im Speziellen. Gleiches gilt für die deutschen Grünen, denen nach der nächsten Bundestags­wahl (die spätestens 2021 stattfinde­n muss) die Rolle der koalitionä­ren Königsmach­er zufallen dürfte.

In der EU-Kommission wird ebenfalls darüber nachgedach­t, einen Teil der Einnahmen aus dem CO2-Emissionsh­andel künftig in das EU-Budget umzuleiten. Das Problem: Ein Teil dieser Mittel kommt derzeit den ärmsten zehn EU-Mitglieder­n zugute, die in Folge auf diese Zuschüsse verzichten müssten.

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[ Reuters] Eine Plastikste­uer könnte pro Jahr sechs Mrd. Euro in die Kassen der EU spülen.

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