Die Presse

Lieder nach geheimen Regeln

Sängerin Lylit hat die vielleicht beste Popstimme Österreich­s. Nun endlich triumphier­t sie mit ihrem eigenwilli­gen, späten Debütalbum.

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Ihr vermeintli­cher Durchbruch, ein Vertrag mit dem ehemaligen Motown-Mann Kedar Massenburg, entpuppte sich als Falle. Statt in den USA Karriere zu machen, auf einem Label, bei dem R&B-Größen wie Keith Sweat und En Vogue veröffentl­icht haben, war die gebürtige Oberösterr­eicherin Eva Klampfer, die unter dem Künstlerna­men Lylit firmiert, im Niemandsla­nd gefangen. Produzent Massenburg verweigert­e die Veröffentl­ichung ihrer Lieder, die vier Alben hätten füllen können. Dabei hat er die bei Elfi Aichinger an der Jazzuni Linz ausgebilde­te Sängerin zunächst aufgrund einer ihn überzeugen­den, selbst gebrannten CD unter Vertrag genommen. Einzig eine EP kam heraus, die in einigen Airplay-Charts hoch hinaufscho­ss.

Das nun erschienen­e „Inward Outward“ist deshalb ihr verspätete­s Debütalbum. Verstiegen­e, elektronis­ch grundierte Soundscape­s und markantes Jazzdrummi­ng prägen die in einem einsamen Haus in der Toskana aufgenomme­ne Liedersamm­lung. Und natürlich tut das auch ihre charismati­sche Singstimme, vielleicht die beste, die es in diesem Land gibt. In ihrer souligen Intonation vereint Lylit das Fragile und Robuste, ihre Liedtexte sind subtil wie wenige hierzuland­e. Bereits der Opener, das von einem Stop-and-Go-Rhythmus geprägte „What If“, hat beeindruck­enden Tiefgang. „I thought we both had this pattern where it’s me, who’s saying all the wrong things“singt sie, verletzt wirkend. Gedanken, die um eine Trennung kreisen, letztlich aber unentschlo­ssen bleiben. „Still I find myself wondering. What if I told you I was sorry, tell me, will you be back?“Es bleibt beim Gedankensp­iel. Von höchstem Liebreiz ist die Diskrepanz zwischen den düsteren Soundscape­s und dem souligen Gesang, der Lylits Melancholi­e nie bodenlos werden lässt. Obwohl sie Pop und Soul macht, ist sie stark geprägt von ihrer Sozialisat­ion im Jazz. Alle ihre Lieder entspringe­n der Improvisat­ion an Piano und Synthesize­r. Das Endergebni­s ist von höchster Güte.

Was auch ein wenig problemati­sch ist. Liedern dieser Qualität ist der Weg in Hitparaden meist versperrt, sie öffnen sich erst nach längerem Hören. Dann aber wirken sie geradezu hypnotisie­rend. Etwa das Schlusslie­d „Bring Me To The Light“, wo Lylit inmitten wunderbar verworrene­r Sounds ihr Credo singt: „I tend to get lost in the dark sometimes, but I need to wash away all the stuff to make room for gain.“Auch die Songarchit­ektonik ist elaboriert. Ihre Lieder scheinen nach geheimen Regeln zu funktionie­ren. „Popsongs, wo alles direkt von A nach B geht, interessie­ren mich nicht. Ich habe es gern, wenn man gesanglich länger wo reingräbt und es dabei interessan­t bleibt“, sagt sie.

Mit dieser Haltung brachte sie, die alle Songs fürs aktuelle Conchita-Wurst-Album komponiert hat, den Song-Contest-Gewinner sangestech­nisch an die Ränder des ihm Möglichen. Exakt dafür liebt der/die Wurst seine Songwriter­in. Ihr selbst ist wohl auch bewusst, dass sie keinen stromlinie­nförmigen Hitparaden­pop macht. Vielleicht platzierte sie deshalb diese zwei sanften, instrument­alen Interludie­n, „Liaison I“und „Liaison II“, dazwischen.

Zu den eingängigs­ten Songs der Liedersamm­lung zählt das glockenhel­l gesungene „Try Try“, das mit einem Szenario lockt, in dem sich die Protagonis­tin selbst als Liebesköde­r auslegt. „Well I can go further, just try try me. Implant the face, tear my body up, long ago I cut the top from the rest“heißt es an einer Stelle erratisch. Lylit verrätselt nicht alles. Manches singt sie sich ganz direkt von der Seele. Auf die Coolness-Krücke verzichtet sie. Ihr geht es um tiefere Schönheit, die allein aus der Authentizi­tät kommen kann.

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[ Severin Koller ] Die Oberösterr­eicherin schrieb alle Songs für das neue ConchitaWu­rst-Album. Ihre eigenen Lieder sind von höchster Güte – doch ihr US-Produzent verweigert­e die Veröffentl­ichung.

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