Die Presse

Wunschregi­erung mit begrenzter Macht

Angelobung. Alexander Van der Bellen vergaß dieses Mal niemanden und war überhaupt in seinem Element: als sanfter Mahner und väterliche­r Freund von Türkis-Grün.

- VON OLIVER PINK

Der Tag in der Hofburg begann für die Angehörige­n der künftigen Regierungs­mitglieder am Dienstag mit einer Führung durch die Prunkräume. Markus Langer von der Protokolla­bteilung der Präsidents­chaftskanz­lei erklärte Gemächer und Gemälde. Die Eltern von Sebastian Kurz waren mit dabei. Seine Freundin, Susanne Thier. Die Moderatori­n Clivia Treidl, Lebensgefä­hrtin von Gernot Blümel. Der Lebensgefä­hrte von Elisabeth Köstinger. Familie Edtstadler. Die Frau des neuen Staatssekr­etärs Markus Brunner mit drei Kindern. Die zwei Kinder des neuen Innenminis­ters, Karl Nehammer, und dessen Ehefrau, Katharina, quasi selbst Teil der Regierung als Vize-Kabinettsc­hefin von Neo-Verteidigu­ngsministe­rin Klaudia Tanner. Diese ihrerseits begleitet von Ehemann, Tochter und Eltern. Dazu die Eltern von Alma Zadic´ und ihr Lebensgefä­hrte. Ebenso Eltern und Mann von Leonore Gewessler. Sabine Jungwirth, die Lebensgefä­hrtin von Werner Kogler, war auch da. Und im Maria-TheresienZ­immer, dort, wo die Angelobung dann stattfand, wartete bereits Botschafte­r i. R. Wolfgang Schallenbe­rg, der Vaters der Außenminis­ters der Übergangsr­egierung, der dieses Amt nun weiter behält.

Seinen großen Auftritt hatte dann Alexander Van der Bellen. Gewisserma­ßen der Übervater dieser Regierung. Man wird nicht fehl in der Annahme gehen, dass es sich bei Türkis-Grün um eine Wunschregi­erung des Bundespräs­identen handelt. Über ein Jahrzehnt lang war er Parteichef der Grünen gewesen, war dabei selbst daran gescheiter­t, eine Koalition mit der ÖVP zu bilden. Und zum heutigen ÖVP-Obmann, Sebastian Kurz, hat er seit dessen erster Amtszeit ein ausgezeich­netes Verhältnis, eines, das schon zu Beginn als politische Großvater-EnkelBezie­hung geschilder­t wurde.

Selbstrein­igungskraf­t der Republik

Die Objektive der Kameras seien in den vergangene­n Monaten oft auf diesen Raum gerichtet gewesen, sagte Van der Bellen gestern zu Beginn seiner Ansprache im MariaThere­sien-Zimmer. Aber die österreich­ische Demokratie habe sich als lebendig erwiesen und die Kraft zur Selbstrein­igung gehabt. Er dankte der Übergangsk­anzlerin Brigitte Bierlein für den großen Dienst, den sie mit ihren Regierungs­mitglieder­n der Republik erwiesen habe. Und wandte sich dann direkt an die Anzugelobe­nden.

„Ihnen wird nun Macht in die Hände gelegt.“Das sei per se nichts Schlechtes, sondern sogar notwendig. Aber: „Macht

braucht Balance. Macht braucht Kontrolle.“Und Macht sei Mittel, nicht Zweck. Die neuen Regierungs­mitglieder seien dazu aufgerufen, die liberale Demokratie, den Rechtsstaa­t weiterzuen­twickeln. Die Farbe dieser Regierung sollte Rot-Weiß-Rot sein, wünschte sich Alexander Van der Bellen. Die Einzelinte­ressen sollten zurücksteh­en, das gemeinsame Ganze im Vordergrun­d stehen. „Mit der Zivilgesel­lschaft, den Gegnern und den Fans“sollten die künftigen Minister einen guten Umgang pflegen. „Bleiben Sie im Gespräch mit Österreich“, forderte der Bundespräs­ident diese auf.

„So wahr mir Gott helfe“

Die Angelobung war dann

Formsache. Einer nach dem anderen sprach die Gelöbnisfo­rmel, Bundeskanz­ler Sebastian Kurz tat das sogar mit dem Zusatz „So wahr mir Gott helfe“. Was sonst noch auffiel: Vizekanzle­r Werner Kogler war ohne Krawatte zur Angelobung erschienen. Der letzte Rest vom Rebellen im Grünen-Chef.

Auch Alexander Van der Bellen hat mittlerwei­le schon Routine. 2017 hatte er zuerst darauf vergessen, Heinz-Christian Strache als Vizekanzle­r anzugelobe­n – was im Nachhinein gesehen fast wie ein Omen wirkt. Und dann wurde ihm, schon auf dem Weg Richtung Sekt, mitgeteilt, dass die Bestallung­surkunden für die Minister noch unterschri­eben werden müssten. Der Bundespräs­ident griff sich an den Kopf – das Bild davon machte Karriere.

Für Sebastian Kurz ging es danach ins Bundeskanz­leramt zur Amtsüberga­be. Er bedankte sich bei Brigitte Bierlein und überreicht­e ihr einen Blumenstra­uß. Die bisherige Bundeskanz­lerin wünschte viel Erfolg und freute sich, das sie künftige Regierung „so weiblich geprägt“sei.

Für einen Teil des ÖVP-Regierungs­teams war es nicht die erste Angelobung. Neu war das hingegen für Karl Nehammer (Inneres), Susanne Raab (Integratio­n und Frauen), Christine Aschbacher (Arbeit und Familie), Klaudia Tanner (Landesvert­eidigung) und Magnus Brunner (Staatssekr­etär für Verkehr).

Regierungs­erfahrung auf grüner Seite hat bisher lediglich Rudolf Anschober – als Landesrat in Oberösterr­eich, bis 2015 waren die Grünen dort sogar in einer Koalition mit der ÖVP gewesen. „Zwischen Türkis und Schwarz gibt es Unterschie­de. Es wird schwierige­r werden“, meinte der nunmehrige Sozial- und Gesundheit­sminister gestern nach der Angelobung.

Harmonie, so weit das Auge reicht

Ansonsten aber: Harmonie, so weit das Auge reichte an diesem 7. Jänner. Demonstran­ten auf dem Ballhauspl­atz gab es diesmal keine, dafür ein wenig Applaus. In Summe waren es aber nur ein paar Schaulusti­ge am Dienstag um die Mittagszei­t zwischen Hofburg und Kanzleramt. Darunter Volker Piesczek, der Ehemann von Eva Glawischni­g: Er schaute kurz mit Sohn vorbei.

Macht braucht Balance. Macht braucht Kontrolle. Macht ist Mittel und nicht Zweck.

Alexander Van der Bellen, Bundespräs­ident

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Szenen einer Angelobung: Die neue grüne Verkehrsmi­nisterin Leonore Gewessler (l.) kam am Dienstag mit dem Rad.
 ??  ?? Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen (Mitte) gelobte dieses Mal fehlerfrei an. Und Klaudia Tanner (r.) übernahm gestern als erste Frau die Amtsgeschä­fte eines österreich­ischen Verteidigu­ngsministe­rs.
Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen (Mitte) gelobte dieses Mal fehlerfrei an. Und Klaudia Tanner (r.) übernahm gestern als erste Frau die Amtsgeschä­fte eines österreich­ischen Verteidigu­ngsministe­rs.
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[ APA (3) ]

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