Die Sicherheitslage von Klaudia Tanner
Heer. Erstmals hat Österreich eine Verteidigungsministerin. Zwei Bewährungsproben warten schon auf sie. Und Experten warnen: Die Bedrohungslage in Österreich verändert sich.
Es gibt Dinge, die ändern sich nie, auch und vor allem nicht beim Bundesheer. Wenn es also einen Wechsel an der Ministeriumsspitze gibt, schreibt das Protokoll den genauen Ablauf vor. Zuerst gibt der ehemalige Minister (in dem Fall: Thomas Starlinger) den ersten Befehl: „Mit dem Festakt beginnen!“Dann folgt das „Abschreiten der Front“, bei der für gewöhnlich die neue Spitze noch etwas unsicher herumirrt. Dann folgt die „Flaggenparade“– und zum Schluss das „Erbitten weiterer Befehle“, nämlich abrücken zu dürfen. Ausgesprochen von der neuen Ressortführung.
Und doch war am Dienstagnachmittag im Innenhof der Rossauer Kaserne einiges anders: Zum ersten Mal gibt es in Österreich mit Klaudia Tanner eine Verteidigungsministerin. Und sie sagte es auch selbst bei ihrer Antrittsrede: Dem Neuen, dem Ungewohnten, dem Erstmaligen möge vielleicht der eine oder die andere etwas skeptisch gegenüberstehen. Aber: „Es sind ja gerade die anderen Perspektiven, die uns zu überraschenden, positiven und innovativen Lösungen kommen lassen.“
Und diese werde es auch brauchen, sagt Tanner. Denn auch wenn es als positives Signal gesehen wird, dass der Posten erstmals von einer Frau besetzt wird – viele vermuten, dass hinter der Entscheidung auch eine taktische Überlegung steckt. Denn das Bundesheer fordert mehr Geld. Langfristig benötige es 16,2 Milliarden Euro, um bei den Investitionen aufzuholen. Eines ist mit Türkis-Grün allerdings sicher: Die Wünsche des Heeres werden nicht erfüllt werden. Um zumindest etwas modernen Schwung, eine positive Schlagzeile für die Rossauer Kaserne zu bekommen, wählte Kurz die 49-jährige langjährige Direktorin des niederösterreichischen Bauernbundes zur neuen Verteidigungsministerin.
Tanner macht aber trotzdem darauf aufmerksam, dass sie nötige Erfahrung schon gesammelt hat, unter anderem im Innenministerium unter Ernst Strasser: „Ich kenne Uniformen, und ich kenne Hierarchien.“Dann skizziert Tanner, was sie im Ressort vorhat: die Einführung einer Teiltauglichkeit zum Beispiel. Einen stärkeren Fokus auf den Katastrophenschutz und eine gute Ausstattung für die Miliz. Große Versprechen macht sie nicht – weder zum Budget noch zur Luftraumüberwachung. Das werden die ersten Bewährungsproben sein.
Tanner soll die strenge Sicherheitslinie von Kurz im Verteidigungsressort fortführen. Dabei gibt es allerdings zwei große Hürden. Nummer eins: Die ÖVP hat in der Vergangenheit selbst im Zweifelsfall lieber das
Innenministerium gut ausgestattet und für das eigene Image genutzt. Das Bundesheer war immer der kleine, benachteiligte Bruder. Und dann wäre da auch noch Hürde Nummer zwei: Mit den Grünen hat die ÖVP keinen Koalitionspartner, der auf ein gut ausgestattetes Bundesheer pocht. Sozialminister Rudolf Anschober hat erst beim Bundeskongress der Grünen betont, „keine Nachfolgemodelle für Eurofighter und Co.“zu wollen. Sondern „die effizienteste Form der Luftraumüberwachung“. Das bedeutet wohl, dass die Eurofighter ein (kostspieliges) technisches Upgrade bekommen. Der zweite Flieger, der für die Luftraumüberwachung eingesetzt wird, muss aber in jedem Fall nachbeschafft werden – nämlich die Saab 105.
Eine ihrer ersten, längeren Reden wird Tanner nächste Woche halten, beim Sicherheitspolitischen Jahresauftakt 2020. Experten des Ministeriums besprechen bei der traditionellen Veranstaltung des Ministeriums jährlich, wie sich Österreichs Sicherheitslage entwickelt. Das Fazit für das kommende Jahr: „Die sicherheitspolitische Risikobewertung geht klar in Richtung einer weiteren Verschärfung“, ist in dem dazugehörigen Bericht nachzulesen. Das bedeutet: Die Gefahren für Österreich verändern sich, werden mehr – und die Wahrscheinlichkeit, dass eine Bedrohung real wird, nimmt zu. Insofern wird auch der Aufgabenbereich für Tanner breiter und heikler.
Laut den Experten im Verteidigungsressort gibt es einen Wandel der Gefahrenlagen: Jahrelang habe man die internationale Zusammenarbeit im Wirtschaftsbereich, bei Finanzen, aber auch auf sozialpolitischer und diplomatischer Ebene positiv genutzt. Doch nun komme es zu einer Wende: Es kämpfen nicht mehr in sich abgetrennte Systeme gegeneinander. Die Abhängigkeit von Staaten werde auch als Angriffsfläche genutzt. Feinde können auf verschiedenen Ebenen gleichzeitig und unterschwellig angreifen. „Hybride Gefahren“nennt man dies im Fachjargon.
Die Experten im Ministerium fordern daher von der neuen Ressortführung eine weitreichende Reform. Zum Teil auch mit Maßnahmen, die auf den ersten Blick banal klingen: Ressortübergreifend soll es ein neues Planungszentrum geben, das im Bundeskanzleramt seinen Sitz hat und ständig einen Überblick über die Sicherheitslage bietet. Das findet sich im Regierungsprogramm. Weitere Wünsche – eine weitreichende Aufstockung des Budgets und eine „unverzügliche Entscheidung“über die Luftraumüberwachung – aber nicht.
Dem Neuen mag vielleicht der eine oder die andere etwas skeptisch gegenüberstehen.
Klaudia Tanner, Verteidigungsministerin