Ein Strafgericht macht noch keine Strafe
Causa Zadic.´ Selbst der Kanzler verschätzte sich, als er ein gegen die neue Justizministerin ergangenes Urteil einordnete. Doch warum hat der Tatbestand der üblen Nachrede mehrere Facetten, und welche Aussage über Alma Zadi´c ist nun richtig?
Schlussendlich war auch Sebastian Kurz verwirrt. „Es stimmt, dass Alma Zadic´ in erster Instanz strafrechtlich wegen übler Nachrede verurteilt wurde, das ist ein Faktum“, erklärte er am Dienstag im Ö1-„Morgenjournal“. Damit zog sich der Nun-wieder-Bundeskanzler den Zorn einiger Grüner zu, worauf Kurz seine Aussage per Twitter wieder modifizierte. Und nur noch von einer medienrechtlichen Entschädigungszahlung sprach. Die FPÖ greift die neue Justizministerin ohnedies bereits seit Tagen an. Und tatsächlich war Zadic´ von einem Strafgericht verurteilt worden. Aber eben nicht strafrechtlich – und rechtskräftig schon gar nicht. Doch wie geht das alles zusammen, und was darf man nun über die neue Ministerin richtigerweise sagen und was nicht?
Wer meint, Opfer einer üblen Nachrede geworden zu sein, kann zum einen strafrechtlich gegen den Täter vorgehen. Es ist ein sogenanntes Privatanklagedelikt, man muss also selbst statt des Staatsanwalts anklagen. Als Strafe droht dem Täter Haft bis zu sechs Monaten oder eine Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen. Wird die üble Nachrede in einem Medium begangen, beträgt der Strafrahmen bis zu einem Jahr Gefängnis oder eine Geldstrafe von bis zu 720 Tagessätzen.
Eine strafrechtliche Verurteilung bringt dem Opfer selbst jedoch kein Geld. Wurde die Tat in einem Medium begangen, gibt es aber bei übler Nachrede die Möglichkeit, eine Entschädigungszahlung nach § 6 des Mediengesetzes zu verlangen (maximal 50.000 Euro). Man kann als Opfer auch gleichzeitig ein straf- und ein medienrechtliches Urteil fordern.
Und nach dem Medienrecht wird man bereits dann wegen übler Nachrede verurteilt, wenn der Tatbestand objektiv erfüllt ist. Für eine strafrechtliche Verurteilung muss man auch den Vorsatz des Täters beweisen.
Bei Abgeordneten kommt dazu, dass diese strafrechtlich nur belangt werden können, wenn der Nationalrat sie ausliefert. Dies verweigert das Parlament regelmäßig, wenn ein Delikt im Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit eines Abgeordneten steht. Allerdings verjähren die Delikte in diesem Fall auch nicht, und man kann gegen Politiker nach dem Ende ihrer Abgeordnetentätigkeit vorgehen. Minister genießen ohnedies keine strafrechtliche Immunität.
Vor medienrechtlichen Entschädigungszahlungen schützt die Immunität jedoch nie. Auch Abgeordnete können dadurch sofort belangt werden.
Zadic´ hatte sich als grüne Abgeordnete via Twitter (also in einem Medium) über einen
Burschenschafter geäußert. Dieser wurde fotografiert, wie er Donnerstagsdemonstranten gegenüber die Hand hob. Manche werteten das als Hitlergruß. Der Mann erklärte, nur Schulfreunden unter den Demonstranten gewunken zu haben. „Keine Toleranz für Neonazis, Faschisten und Rassisten“, twitterte Zadic´ zu dem Bild. Der Burschenschafter klagte, aber nur medienrechtlich. Und die damalige Abgeordnete wurde im November des Vorjahres wegen übler Nachrede zur Zahlung von 700 Euro verurteilt. Das medienrechtliche Urteil ist aber nicht rechtskräftig. Und ein strafrechtliches gab es nie.
Dass die Strafgerichte über das Medienrecht entscheiden, hat historische Gründe. Bevor im Jahr 1981 das Mediengesetz beschlossen wurde, habe es noch den sogenannten Sitzredakteur in jeder Redaktion gegeben, erklärt der Wiener Anwalt und Medienrechtsexperte Thomas Höhne. Dieser Redakteur musste für alle medienrechtlichen Verfehlungen geradestehen. Nach den ersten Geldstrafen musste der Redakteur irgendwann ins Gefängnis (also „sitzen“gehen). 1981 einigte man sich aber auf einen Kompromiss. Die Journalisten bekamen ihr Redaktionsgeheimnis, und die Medien mussten fortan nicht mehr sagen, wer für welchen Artikel verantwortlich ist. Umgekehrt wurde aber festgelegt, dass ein Medium bei übler Nachrede Entschädigung leisten muss, unabhängig von einem subjektiven Verschulden.
Auf Twitter ist jeder Medieninhaber seines Accounts, Zadic´ haftet also für ihre Worte persönlich.
Zu behaupten, Zadic´ sei strafrechtlich verurteilt, wäre falsch, wie auch das Wiener Straflandesgericht auf Nachfrage der „Presse“betont. Zu behaupten, es gäbe das Urteil eines Strafgericht gegen sie, ginge hingegen, erklärt Experte Höhne. Sofern man klarmacht, dass das Urteil nicht rechtskräftig ist.
Und dürfte man nun auch sagen, Zadic´ sei erstinstanzlich „strafgerichtlich verurteilt“worden? Darüber könne man streiten, meint Höhne. Denn einerseits handle es sich um eine medienrechtliche Verurteilung durch ein Strafgericht. Andererseits könne beim Empfänger der Nachricht durch diese Formulierung der Eindruck entstehen, dass es sich um ein Strafurteil handelt. Und das wäre ja wieder falsch.
Aufpassen lohnt sich. Denn wer etwa im Radio behauptet, Zadic´ sei strafrechtlich verurteilt worden, läuft selbst in Gefahr, wegen übler Nachrede (straf- und medienrechtlich) verurteilt zu werden. Auch wenn die neue Justizministerin kaum den Kanzler belangen wird. Und dieser entschuldigte sich via Twitter am Dienstag auch: „Jedem kann einmal ein Fehler passieren.“