Israel in gedämpfter Freude – und Alarmbereitschaft
Analyse. Die US-Drohnenrakete traf einen der größten Feinde Israels: Irans General Soleimani hatte nicht nur die libanesischen Hisbollah-Milizen und Syriens Diktator Assad unterstützt, sondern auch palästinensische Extremisten. Israel rechnet trotzdem nic
Nach der Ermordung des zweitwichtigsten Mannes des Iran, General Qasem Soleimani, verordnete Israels Premier, Benjamin Netanjahu, seinen Ministern zunächst Stillschweigen. Doch so still blieb die Freude in Israel dann doch nicht – nicht zuletzt, weil sich Netanjahu selbst nicht zurückhalten konnte und US-Präsident Donald Trump beisprang: „Da Israel das Recht auf Selbstverteidigung hat, haben die Vereinigten Staaten genau das gleiche Recht.“
Auch sein Herausforderer vom blau-weißen Parteienbündnis, Benny Gantz, erklärte sich mit den USA solidarisch. In der Bewertung des Drohnenangriffs auf Soleimani, einen der bittersten Feinde Israels, herrscht über Parteigrenzen hinweg weitgehende Einigkeit: Freude, halbwegs dosiert ausgedrückt, bei gleichzeitiger Besorgnis.
Im Land herrscht erhöhte Alarmbereitschaft, ebenso in den israelischen Botschaften im Ausland. Der Berg Hermon, ein beliebtes Skigebiet an der Grenze zum Libanon und zu Syrien, wurde gesperrt. „Israel steht in dieser Auseinandersetzung in der zweiten Reihe“, erklärt Uzi Rabi, Direktor des Moshe-Dayan-Zentrums für Nahoststudien an der Universität Tel Aviv. „Doch Israel sollte auf das Schlimmste vorbereitet sein. Nicht weil ein Angriff wahrscheinlich ist, sondern weil es im Nahen Osten immer gut ist, auf alles vorbereitet zu sein.“
Die laut Rabi wahrscheinlichste Variante ist, dass der Iran einen Vergeltungsangriff ausführt, der es ihm erlaubt, das Gesicht zu wahren und gleichzeitig die USA nicht zu einem weiteren Schlag zwingt. Und so bleibt auch Israel alarmbereit: „Denn sollte ein israelisches Ziel nicht voll geschützt sein und dies zu den Iranern durchsickern, werden sie zuschlagen“, so Rabi.
Israel steht aber vor allem auch vor der Aufgabe, die Politik Donald Trumps zu verstehen. Vor wenigen Monaten hatte Trump die US-Truppen aus Syrien abgezogen und damit die Kurden im Stich gelassen. Damals begannen sich auch manche Israelis Sorgen um die Zuverlässigkeit des starken Partners aus Übersee zu machen. Diesmal jedoch scheinen die Amerikaner fest an der Seite Israels zu stehen. Dem Vernehmen nach warnte US-Außenminister Mike Pompeo den israelischen Premier rechtzeitig. Wenige Tage vor Soleimanis Tod twitterte Netanjahu nach einem Telefongespräch mit Pompeo über „sehr, sehr dramatische Dinge“, die sich in der Region abspielen, und bestärkte die Partnerschaft mit dem „großartigen Freund, den USA“: „Wir sind wachsam und beobachten die Situation.“
Für Israel ist die Unterstützung Washingtons entscheidend. Denn die gezielte Tötung Soleimanis ist nicht nur ein Schlag gegen den Iran, sondern auch gegen die unmittelbaren Nachbarn und Feinde Israels, die vom Chef der iranischen al-Quds-Brigaden aufgebaut oder unterstützt wurden: In Syrien hielt Soleimani mithilfe der libanesischen Hisbollah-Milizen das Assad-Regime am Leben. An der südlichen Grenze unterstützte er die palästinensischen Hamas-Extremisten mit Waffen und baute die palästinensischen al-Quds-Brigaden auf, den bewaffneten Arm des Islamischen Dschihad.
In Gaza war der Schock dementsprechend groß. Am Montag reiste Ismail Haniyyah, der Anführer der Hamas, mit einer Delegation zur Trauerfeier für Soleimani. „Die Opposition gegen die amerikanische und israelische Politik wird nicht geschwächt, sondern weitergeführt werden“, erklärte er in Teheran. In Haniyyahs Terminkalender stand laut Roni Shaked, Islam-Experte der Zeitung „Jediot Aharonot“, auch ein Treffen mit Ayatollah Khamenei, an dem auch der Kommandeur des palästinensischen Islamischen Dschihad teilgenommen haben soll.
Es sei zu vermuten, dass Khamenei die Führung in Gaza aufforderte, den Kampf gegen Israel zu forcieren, und er ihr im Gegenzug Waffen und Geld versprach. Eine unmittelbare Eskalation an Israels Grenzen hält Shaked für unwahrscheinlich. Doch mittelfristig könnten die iranischen Mittelstreckenraketen, die 120.000 Raketen der Hisbollah im Libanon und die Wut in Gaza für Israel durchaus gefährlich werden.