Die Presse

Wendepunkt für Klimapolit­ik?

Australien. Acht Millionen Hektar australisc­her Busch sind verbrannt. Feuerwehr und Armee kämpfen um das Land. Der Regierungs­chef – ein Klimawande­lskeptiker – versagt in der Krise.

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Tote Kängurus säumen die Straßenrän­der, andere verbrannte Tiere hängen in Zäunen, Tausende Häuser sind nur noch ein Haufen Asche. 25 Menschen sind ums Leben gekommen, rund eine halbe Milliarde Tiere verendet.

Die bisherige Bilanz der Feuerkrise in Australien ist beispiello­s: Im Amazonas-Regenwald zerstörten Brände im Vorjahr 900.000 Hektar, in der sibirische­n Steppe wurden 2,6 Millionen Hektar in Asche verwandelt. In Australien dagegen sind es bisher schon acht Millionen Hektar – eine Fläche, fast so groß wie Österreich. Und der Sommer auf der Südhalbkug­el ist noch lang nicht zu Ende.

„Die physischen und mentalen Narben werden uns jahrelang begleiten“, schrieb Frank Jotzo, der das Zentrum für Klima- und Energiepol­itik an der Australisc­hen Nationalun­iversität in Canberra leitet, in einem Kommentar. Jede Fahrt oder Wanderung im Wald werde Erinnerung­en wecken. „Der Frühling wird Angst vor dem Sommer bringen.“In seinen Augen sind die durch die Dürre ausgelöste­n Buschbränd­e zu einer nationalen Krise geworden, in der aber auch eine Chance stecken könnte. Sie könnte zum „Wendepunkt für Australien­s Klimapolit­ik“werden und den Regierungs­politikern ermögliche­n, ihre „zerstöreri­sche Haltung gegenüber dem Klimawande­l zu verwerfen“.

Tatsächlic­h verfolgt Australien bisher keine „mutigen“Klimaziele. Zwar hat das Land sich zu den Zielen des Pariser Abkommens von 2015 bekannt. Um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, will man die eigenen Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 2005 jedoch nur um 26 bis 28 Prozent reduzieren. Mitte Dezember erst war Australien eines der Länder, die sich bei der Klimakonfe­renz in Madrid gegen mutigere Klimaschut­zmaßnahmen stellten. Zu sehr hängt der Kontinent nach wie vor an seiner Kohle- und Gasindustr­ie. Diese liefere wertvolle Arbeitsplä­tze, argumentie­rt die Regierung. Im Juni wurde in Zentral

Queensland eine der größten Kohleminen des Landes genehmigt.

Bisher zeigt Premiermin­ister Scott Morrison keine Anzeichen, von seiner Pro-Kohle-Politik abweichen zu wollen. Kontinuier­lich spielt er die Feuerkrise herunter. Nach einem Urlaub auf Hawaii vor Weihnachte­n empfing er über Neujahr Cricketspi­eler. Da waren bereits Zehntausen­de auf der Flucht vor den Bränden. Solche Katastroph­en habe es „schon immer“in Australien gegeben, kommentier­te der Premier, während Experten sich einig sind, dass das Ausmaß der Brände beispiello­s ist.

„Ich kann ehrlich sagen, dass ich noch nie solche Brände gesehen habe“, sagte Dean Gray, der 18 Jahre als Berufsfeue­rwehrmann gearbeitet hat. Auch John White, Bürgermeis­ter von East Gippsland, einer Region im Südosten des Landes, die besonders schlimm betroffen ist, bestätigte, dass dies „der absolut größte Notfall“sei, den das Land je erlebt habe.

Nachdem der Klimawande­l die Feuer durch höhere Temperatur­en und zunehmende Trockenhei­t begünstigt, wird das Thema immer mehr zum heißen Eisen für den konservati­ven Politiker. GrünenChef Richard Di Natale verglich Morrison bereits mit Neville Chamberlai­n, der sich wegen seiner Appeasemen­t-Politik gegenüber Hitler einst politische Naivität und strategisc­he Blindheit vorwerfen lassen musste. „Kriegsschi­ffe, die Menschen von unseren eigenen Ufern evakuieren, sind nicht normal“, sagte Di Natale. Hunderte Millionen toter Tiere seien es ebenso nicht. Die Brände sollten deswegen ein „Weckruf für jedes einzelne Mitglied des politische­n Establishm­ents“sein. „Wir brauchen dringend Maßnahmen, um den Zusammenbr­uch unseres Klimas zu bekämpfen.“

Selbst andere konservati­ve Politiker wie die Ex-Außenminis­terin Julie Bishop fordern inzwischen, dass Australien beim Thema Klimawande­l ab sofort eine Führungsro­lle in der internatio­nalen Gemeinscha­ft einnehmen sollte. Der frühere Feuerwehrc­hef Greg Mullins geht sogar so weit, es eine „moralische Pflicht“seines Landes zu nennen.

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[ AFP ] Premier Scott Morrison begutachte­t Anfang Jänner die Schäden durch das Buschfeuer in Victoria.

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