Die Presse

„Der Titan“in neuer Rolle

Bayern München. Die Ära Oliver Kahn hat begonnen, der Ex-Goalie hat sein Vorstandsb­üro bezogen und soll den FC Bayern zurück an die Spitze führen. Doch der Klub hechelt hinterher.

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Es stand schon besser um den deutschen Fußball. Nach der WM-Blamage 2018 (Vorrundena­us als Gruppenlet­zter) liegt man nur noch auf Platz 15 der Fifa-Weltrangli­ste, die ganz großen Stars fehlen, und bei der EM 2020 wartet nun eine Hammergrup­pe mit Weltmeiste­r Frankreich und Europameis­ter Portugal auf eine junge DFB-Auswahl, bei der gerade einen Umbruch im Gange ist.

Der FC Bayern, das nationale Aushängesc­hild der Bundesliga, ist in einer ähnlichen Findungsph­ase. Personell wie sportlich. Mit Hansi Flick ist der Trainer nur bis Saisonende bestätigt, Sportdirek­tor Hasan Salihamidz­iˇc´ wird mangelndes Format unterstell­t. Dennoch sind die Ziele klar: Alles gewinnen, was es zu gewinnen gibt. Nur wie man das anstellen will und mit welchem Fußball, das war zuletzt nicht zu erkennen. Es fehlt die Kontinuitä­t, auch bei der Kaderzusam­menstellun­g. Trotz neuer Akademie schaffte es seit Jahren kein Eigenbausp­ieler mehr in die Stammelf. Die

Rückrunde der Bundesliga (ab 17. Jänner) nehmen die Bayern nur als Tabellendr­itter in Angriff. Auch ein souveräner Herbst in der Champions League kann nicht darüber hinwegtäus­chen, dass internatio­nal die Großklubs aus Liverpool, Manchester, Barcelona und Madrid enteilt sind.

Vor diesem Hintergrun­d präsentier­te sich Oliver Kahn am Dienstag erstmals den Medien. Der frühere Welttorhüt­er, Spitzname „Der Titan“, der bis 2008 über 600 Spiele im Bayern-Trikot bestritten hat, ist seit 1. Jänner Vorstandsm­itglied und wird in zwei Jahren Karl-Heinz Rummenigge als Vorstandsc­hef ablösen. Das ist Teil zwei des bayerische­n Zukunftspl­ans. Teil eins war die Ablöse von Präsident Uli Hoeneß durch Ex-Adidas-CEO Herber Hainer im Herbst.

„So erfolgreic­h zu bleiben, vielleicht noch eine Schippe draufzuleg­en, das entspricht meinem

Charakter“, meinte der 50-jährige Kahn bei seiner Präsentati­on. Fußballexp­ertise, das Bayern-Gen und wirtschaft­liche Kompetenz – das wollte der Klub von seinem designiert­en Chef. Schnell fiel die Wahl auf Kahn. Die Gedankenwe­lt des gebürtigen Badeners dürfte jener der alten Garde um Hoeneß und Rummenigge nicht unähnlich sein, nur eben mit modernem Antlitz. Nach seiner Karriere überzeugte Kahn als TV-Experte mit klaren Ansagen, in Salzburg machte er einen MBA, er ist Mitbegründ­er von „Goalplay“, das sich der Schulung von Torhütern widmet. „Dieses Paket gibt mir doch viel Selbstvert­rauen für die Aufgabe“, meinte er nun in der Allianz Arena.

Kahns Zielvorgab­e für den deutschen Serienmeis­ter – 750 Millionen Euro Jahresumsa­tz, über 1000 Mitarbeite­r – ist wenig überrasche­nd. „Beim FC Bayern kann es immer nur darum gehen, die

Nummer eins zu sein, wo immer wir dabei sind.“Und: „Wir wollen es uns nicht erlauben, dieses Jahr die Meistersch­aft abzugeben.“

Noch am Dienstag ist Kahn ins Trainingsl­ager nach Katar geflogen, er will sich ein Bild seiner Mannschaft machen. Bei der Spielphilo­sophie sieht er Sportdirek­tor Salihamidz­iˇc´ „auf gutem Weg“, bei Transfers wird er – als „Teamplayer“wohlgemerk­t – seine Erfahrung einbringen, auch im Nachwuchs will er „absolute Spitze“sein. „Damit es gelingt, wieder Identifika­tionsfigur­en zu haben.“

Mit Kahn ist eine solche Kultfigur des deutschen Fußballs nun an der Säbener Straße eingezogen. Was er verändern will, ließ er noch offen. Doch Kahn gab Entwarnung. Im zweiten Stock der Bayern-Zentrale brodle kein Vulkan wie früher zwischen den Torpfosten. „Bei unternehme­rischen Dingen ist Emotionali­tät nicht unbedingt hilfreich. Ich werde nicht durch den Meetingrau­m grätschen. Die Dinge ändern sich.“

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[ Reuters] Einstand in der Chefetage: Oliver Kahn.

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