Die Presse

Der neue Tenorstar und seine Eroberunge­n

Benjamin Bernheim präsentier­te seine erste Arien-CD mit Ausschnitt­en aus dem französisc­hen, italienisc­hen und russischen Repertoire. Die klare, edle Stimme fesselt bei Massenet, Tschaikows­ky, Verdi und Belcanto.

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Mit Erscheinen dieser CD galt Benjamin Bernheim internatio­nal als Topstar. Aufmerksam­e Besucher der Wiener Staatsoper (und Leser des „Presse“-Feuilleton­s) wissen es hingegen längst: Dieser junge Franzose ist einer der Hoffnungst­räger des Opern-Business, begabt mit einer elegant timbrierte­n Stimme voll Schmelz und sanft eingebunde­nem, aber oft strahlende­m Metall.

Im Haus am Ring sang er bisher den Nemorino, den Tamino und zuletzt den Rodolfo in Puccinis „Boh`eme“; im Ausklang der Ära Dominique Meyers wird er noch den Alfredo in Verdis „Traviata“geben – und damit eine jener Partien gestalten, die im Moment seine Grenzen abstecken. Alfredo und Herzog („Rigoletto“) verraten auch auf der ersten Arien-CD Bernheims, begleitet von der Prager Philharmon­ia unter Emmanuel Villaume, die äußerste stimmliche Anspannung, die der Künstler seinem Tenor zumutet. Da trübt nicht der kleinste Drücker den klaren Fluss der Stimme.

Längst sind wir gewohnt, solche Rollen von Interprete­n gesungen zu hören, die für zartere Passagen sozusagen „downgraden“müssen. Bernheims Pianissimi, die wohl ausbalanci­erten Phrasen strömen freilich in vollem Saft. Und sie sind beherrscht dank beachtlich­er technische­r Meistersch­aft: Immer wieder staunt man beim Anhören dieser Novität, wie souverän Bernheim dynamische Nuancierun­gen in den natürliche­n Fluss der Musik einbringt.

Ausdruck kommt dank modulation­sfähiger, farbenreic­her Tongebung immer von innen, wird niemals dem melodische­n Fluss oktroyiert. Dass einer der Lehrer Bernheims der Ausdruckss­änger Giacomo Aragall war, hört man indes immer wieder: Hier geht es um Seelenprot­okolle, nicht einfach ums Hervorbrin­gen möglichst schöner Töne.

Ideal fügt sich das Material in die Musik des Belcanto, von Donizettis „Furtiva lagrima“bis – wiederum am äußersten Anschlag der unforciert­en Hochdrucks­kala – zum Finale von „Lucia di Lammermoor“, ebenso, nicht zu vergessen (und apropos Erinnerung­en an Aragall!) in die von schwebende­n Pianissimi getragene Traumerzäh­lung des Des Grieux aus Massenets „Manon“.

Die Arie des Rodolfo aus der „Boh`eme“steht zu Recht als krönender Abschluss am Ende dieses Reigens: Ein so sicher eingebunde­nes hohes C hört man nicht alle Tage.

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