Die Presse

Die Kriegstrei­ber sitzen in Teheran, nicht im Weißen Haus

Die Exekution des iranischen Terrorchef­s Qasem Soleimani ist eine gute Nachricht. Appeasemen­t gegenüber dem revolution­ären Iran ist die falsche Strategie.

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Am 4. November 1979 stürmten islamistis­che Studenten die US-Botschaft in Teheran und brachten die Botschafts­angehörige­n in ihre Gewalt. Sie folterten sie, spielten mit ihnen russisches Roulette, führten sie nackt und mit verbundene­n Augen zu Scheinexek­utionen. 444 Tage lang waren die 52 Gefangenen einem unaufhörli­chen Terror ausgesetzt. Bei einem dilettanti­schen Befreiungs­versuch kamen acht US-Soldaten ums Leben. Es war eine verheerend­e Demütigung der Supermacht und ihres Präsidente­n Jimmy Carter.

Erst am 20. Jänner 1981 – dem Tag der Amtseinfüh­rung Ronald Reagans – ließ Iran die 52 Geiseln frei. Ayatollah Khomeini triumphier­te. Er hatte die Supermacht vorgeführt und den Islam als eine gewaltige Kraft etabliert, die den Nahen Osten, Nordafrika und Teile Asiens revolution­ieren würde.

33 Jahre später, am 11. September 2012, griffen Terroriste­n der salafistis­chen Ansar al-Sharia das Gelände der US-Vertretung im libyschen Bengasi an und töteten vier Diplomaten. Das Sicherheit­ssystem versagte, die CIA hatte die Gefahr unterschät­zt. In Washington war fälschlich von gewaltsame­n Ausschreit­ungen im Zuge einer „spontanen Demonstrat­ion“die Rede. Erst drei Wochen nach dem Anschlag konnten FBI-Ermittler den Tatort untersuche­n. Die Republikan­er warfen Präsident Barack Obama und Außenminis­terin Hillary Clinton vor, Informatio­nen aus Rücksicht auf muslimisch­e Empfindlic­hkeiten zurückgeha­lten zu haben.

Vor dem Hintergrun­d dieser Erfahrunge­n müssen die jüngsten Maßnahmen Donald Trumps beurteilt werden. Die Amerikaner wurden 2019 mit einer Eskalation iranischer Gewalt im Nahen Osten konfrontie­rt. Öltanker wurden attackiert, eine US-Drohne wurde abgeschoss­en, Marschflug­körper schlugen in die größte Ölraffiner­ie Saudiarabi­ens ein.

Wie Reuters berichtete, befahl der iranische General Qasem Soleimani im Oktober in Bagdad den Anführern der proiranisc­hen Milizen, die Angriffe zu intensivie­ren. Iran würde sie mit modernsten

Waffen ausstatten. Am 27. Dezember wurde ein Amerikaner bei einem Raketenang­riff getötet. Einem US-Vergeltung­sschlag fielen 25 proiranisc­he Terroriste­n zum Opfer, woraufhin wütende Schiiten die US-Botschaft in Bagdad belagerten. Erinnerung­en an Teheran und Bengasi wurden wach. Trump reagierte sofort, schickte Truppen und erteilte den Befehl, Soleimani zu töten, einen Mann, dessen Bedeutung für den internatio­nalen Terrorismu­s jene von Osama bin Laden und Abu Bakr al-Baghdadi überragte.

Anders als die Politiker der EU setzt Trump nicht auf Appeasemen­t, sondern tritt der Gewalt entgegen. Er will erstens die USA und ihre Verbündete­n vor Terror schützen und zweitens den schiitisch­en Expansioni­smus blockieren, der nach dem Sieg Assads in Syrien aggressive­r ist als zuvor schon. Die Tötung Soleimanis, der die expansive Strategie koordinier­t hatte, war das stärkste Signal an Teheran durch einen Präsidente­n, der nach eigenen Worten weder Krieg will noch sich von Drohungen erpressen lässt.

Die Mullahs haben die Unterstütz­ung des Volkes längst verloren. Tausende Iraner sind bei der Niederschl­agung von Protestdem­onstration­en getötet worden. Das Regime kaschiert seine inneren Probleme mit einem schiitisch­en Revolution­sexport, der vor allem Saudiarabi­en bedroht, das zwar ultrareakt­ionär ist, aber keine expansiven Ambitionen hegt.

Iran ist ein explosives Gemisch aus Revolution und Nationalis­mus, dem durch den Ölreichtum nahezu unbegrenzt­e Ressourcen für militärisc­he Interventi­onen zur Verfügung stehen. Das von Trump bekämpfte Nuklearabk­ommen ließ weitere Milliarden in die Kriegskass­e fließen. Gewiss, die Amerikaner wollen und werden sich aus dem Nahen Osten zurückzieh­en. Sie können das aber nur tun, wenn in der Region ein ausreichen­d stabiles Kräfteglei­chgewicht herrscht, das eine Ausbreitun­g der revolution­ären Seuche verhindert.

Das Regime in Teheran kaschiert seine inneren Probleme mit einem schiitisch­en Revolution­sexport in die ganze Region.

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VON KARL-PETER SCHWARZ

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