Trump bläst Krieg ab – vorerst
Der Präsident antwortet auf den iranischen Angriff mit wirtschaftlichen Sanktionen und verbalen Attacken. Von einem militärischen Gegenschlag sieht er vorläufig ab.
Wer die Gefühlslage der Menschen in der Supermacht USA unmittelbar vor einem möglichen Krieg kennenlernen will, hatte zunächst in der Nacht auf Mittwoch die Gelegenheit dazu. Es lag etwas Bedrohliches in der Luft, nachdem der Iran zwei US-Militärbasen im Irak direkt angegriffen hatte. Das Nachtleben in Metropolen wie New York und Washington schaltete zwischenzeitlich auf Pause. Restaurants und Bars drehten die Musik zurück und die Fernseher lauter, Kriegsveteranen setzten spontan zum Gebet für ihre Kollegen an.
Bedrohliche Gerüchte
Tatsächlich schien es zunächst keineswegs ausgeschlossen, dass die USA zurückschlagen und den ganz großen Krieg ausrufen würden. Verteidigungsminister Mark Esper, Außenminister Mike Pompeo und Generalstabschef Mark Milley eilten zu Donald Trump ins Weiße Haus. Berichte von USKampfflugzeugen, die von mehreren Basen in Nahost in Richtung Irak und Iran abhoben, machten die Runde. Die US-Luftfahrtbehörde FAA ließ den Raum über beiden Ländern für Verkehrsflugzeuge sperren.
Erst als sich abzeichnete, dass bei dem iranischen Angriff keine US-Soldaten verletzt oder getötet wurden, entspannte sich die Lage. Hinweise mehrten sich, dass Teheran bewusst das Ziel verfehlt und Washington über Bagdad eine Vorwarnung zukommen haben lassen könnte. Trump sagte die große Eskalation vorerst ab und nahm das versteckte Angebot des Mullah-Regimes zur Kommunikation vorsichtig auf. „Alle unsere
Soldaten sind in Sicherheit, nur minimaler Schaden wurde erlitten”, erklärte der USPräsident in seiner Ansprache am Mittwoch. „Alles deutet darauf hin, dass sich der Iran wieder zurückgezogen hat.”
Zumindest vorläufig kann die Welt aufatmen. Von einem militärischen Gegenschlag, den er in den letzten Tagen mehrmals in Aussicht gestellt hatte, wollte Trump nicht länger sprechen. Stattdessen kündigte er neue, weitreichende ökonomische Sanktionen an, die „solange gelten werden, bis der Iran sein Verhalten ändert.”
In der Zwickmühle
Damit belegte Trump erneut, dass er vor heftigen Verbalattacken zwar selten zurückschreckt, vor einer weitgehenden militärischen Auseinandersetzung dafür umso mehr. Schon im Juni 2019 standen die beiden Nationen knapp vor einem Krieg, nachdem der Iran eine Aufklärungsdrohne der US-Navy vom Himmel geholt hatte. US-Flieger machten sich damals bereits auf den Weg zum Gegenangriff, ehe Trump das Bombardement mehrerer iranischer Militäreinrichtungen in letzter Minute absagte.
Nun befindet sich der US-Präsident als Folge der Ermordung des iranischen Generals Qasem Soleimani und der militärischen Antwort Teherans einmal mehr in der Zwickmühle. Trotz der nun eingeleiteten, vorsichtigen Entspannung will Trump keinesfalls schwach und unentschlossen wirken, weshalb er auch am Mittwoch verbalen Kriegsgedonner losließ: „Solange ich Präsident der USA bin, wird es dem Iran niemals erlaubt sein, Atomwaffen zu besitzen”.
Gleichzeitig ist es das erklärte Ziel Trumps, US-Militärs aus dem Nahen Osten und Afghanistan heimzuholen. Das versprach er seinen Anhängern bereits 2016, das betont er auch im Wahlkampf für die Präsidentschaftswahl im November. Einen verlustreichen Krieg, inklusive Bildern von Särgen gefallener US-Soldaten, sind aus politischer Sicht das Letzte, das Trump brauchen kann. Nicht zuletzt deshalb entschied sich das Weiße Haus nun für die Deeskalation.
Endgültig abgewendet ist ein weitreichender Krieg zwischen den USA und dem Iran damit freilich keineswegs. Irans Außenminister Mohammed Javad Zarif polterte ebenfalls am Mittwoch, dass „die USA zu Sinnen kommen müssen“und Trump betonte einmal mehr die „unermessliche Stärke unseres Militärs“. Wahrscheinlicher als weitere militärische Auseinandersetzungen ist nun jedoch eine Wiederaufnahme von Verhandlungen.
Genau dazu forderte Trump auch die anderen Parteien des mittlerweile ad acta gelegten Wiener Atomabkommens auf. Europa, Russland und China sollten sich daran machen, gemeinsam mit den USA und Iran einen neuen Deal auszuarbeiten, sagte der Präsident. „Dann könnte Iran ein großartiges Land sein”.