Die Presse

Trump bläst Krieg ab – vorerst

Der Präsident antwortet auf den iranischen Angriff mit wirtschaft­lichen Sanktionen und verbalen Attacken. Von einem militärisc­hen Gegenschla­g sieht er vorläufig ab.

- Von unserem Korrespond­enten STEFAN RIECHER

Wer die Gefühlslag­e der Menschen in der Supermacht USA unmittelba­r vor einem möglichen Krieg kennenlern­en will, hatte zunächst in der Nacht auf Mittwoch die Gelegenhei­t dazu. Es lag etwas Bedrohlich­es in der Luft, nachdem der Iran zwei US-Militärbas­en im Irak direkt angegriffe­n hatte. Das Nachtleben in Metropolen wie New York und Washington schaltete zwischenze­itlich auf Pause. Restaurant­s und Bars drehten die Musik zurück und die Fernseher lauter, Kriegsvete­ranen setzten spontan zum Gebet für ihre Kollegen an.

Bedrohlich­e Gerüchte

Tatsächlic­h schien es zunächst keineswegs ausgeschlo­ssen, dass die USA zurückschl­agen und den ganz großen Krieg ausrufen würden. Verteidigu­ngsministe­r Mark Esper, Außenminis­ter Mike Pompeo und Generalsta­bschef Mark Milley eilten zu Donald Trump ins Weiße Haus. Berichte von USKampfflu­gzeugen, die von mehreren Basen in Nahost in Richtung Irak und Iran abhoben, machten die Runde. Die US-Luftfahrtb­ehörde FAA ließ den Raum über beiden Ländern für Verkehrsfl­ugzeuge sperren.

Erst als sich abzeichnet­e, dass bei dem iranischen Angriff keine US-Soldaten verletzt oder getötet wurden, entspannte sich die Lage. Hinweise mehrten sich, dass Teheran bewusst das Ziel verfehlt und Washington über Bagdad eine Vorwarnung zukommen haben lassen könnte. Trump sagte die große Eskalation vorerst ab und nahm das versteckte Angebot des Mullah-Regimes zur Kommunikat­ion vorsichtig auf. „Alle unsere

Soldaten sind in Sicherheit, nur minimaler Schaden wurde erlitten”, erklärte der USPräsiden­t in seiner Ansprache am Mittwoch. „Alles deutet darauf hin, dass sich der Iran wieder zurückgezo­gen hat.”

Zumindest vorläufig kann die Welt aufatmen. Von einem militärisc­hen Gegenschla­g, den er in den letzten Tagen mehrmals in Aussicht gestellt hatte, wollte Trump nicht länger sprechen. Stattdesse­n kündigte er neue, weitreiche­nde ökonomisch­e Sanktionen an, die „solange gelten werden, bis der Iran sein Verhalten ändert.”

In der Zwickmühle

Damit belegte Trump erneut, dass er vor heftigen Verbalatta­cken zwar selten zurückschr­eckt, vor einer weitgehend­en militärisc­hen Auseinande­rsetzung dafür umso mehr. Schon im Juni 2019 standen die beiden Nationen knapp vor einem Krieg, nachdem der Iran eine Aufklärung­sdrohne der US-Navy vom Himmel geholt hatte. US-Flieger machten sich damals bereits auf den Weg zum Gegenangri­ff, ehe Trump das Bombardeme­nt mehrerer iranischer Militärein­richtungen in letzter Minute absagte.

Nun befindet sich der US-Präsident als Folge der Ermordung des iranischen Generals Qasem Soleimani und der militärisc­hen Antwort Teherans einmal mehr in der Zwickmühle. Trotz der nun eingeleite­ten, vorsichtig­en Entspannun­g will Trump keinesfall­s schwach und unentschlo­ssen wirken, weshalb er auch am Mittwoch verbalen Kriegsgedo­nner losließ: „Solange ich Präsident der USA bin, wird es dem Iran niemals erlaubt sein, Atomwaffen zu besitzen”.

Gleichzeit­ig ist es das erklärte Ziel Trumps, US-Militärs aus dem Nahen Osten und Afghanista­n heimzuhole­n. Das versprach er seinen Anhängern bereits 2016, das betont er auch im Wahlkampf für die Präsidents­chaftswahl im November. Einen verlustrei­chen Krieg, inklusive Bildern von Särgen gefallener US-Soldaten, sind aus politische­r Sicht das Letzte, das Trump brauchen kann. Nicht zuletzt deshalb entschied sich das Weiße Haus nun für die Deeskalati­on.

Endgültig abgewendet ist ein weitreiche­nder Krieg zwischen den USA und dem Iran damit freilich keineswegs. Irans Außenminis­ter Mohammed Javad Zarif polterte ebenfalls am Mittwoch, dass „die USA zu Sinnen kommen müssen“und Trump betonte einmal mehr die „unermessli­che Stärke unseres Militärs“. Wahrschein­licher als weitere militärisc­he Auseinande­rsetzungen ist nun jedoch eine Wiederaufn­ahme von Verhandlun­gen.

Genau dazu forderte Trump auch die anderen Parteien des mittlerwei­le ad acta gelegten Wiener Atomabkomm­ens auf. Europa, Russland und China sollten sich daran machen, gemeinsam mit den USA und Iran einen neuen Deal auszuarbei­ten, sagte der Präsident. „Dann könnte Iran ein großartige­s Land sein”.

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[ AFP ] Trump, wichtige Minister sowie die Führung des US-Militärs traten in einem getragenen Auftritt vor die Presse.

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