Leitartikel von Wieland Schneider
Den massiven Schlag gegen Teheran hat der US-Präsident – vorerst – abgesagt. Ihren Kleinkrieg führen beide weiter, mit Auswirkungen für den Irak.
Es war eine martialische Kulisse, die sich US-Präsident Donald Trump für seinen großen Auftritt ausgesucht hatte. Hochrangige Militärs sowie der Vizepräsident und die Außen- und Verteidigungsminister des Landes waren aufmarschiert, als Trump der Nation und der Welt seine Antwort auf Irans nächtliche Raketenangriffe mitteilte. Trump verkündete, weitere Sanktionen gegen Teheran zu verhängen und pries die Schlagkraft der USStreitkräfte. Er halte sich alle Optionen offen, sagte er. Von einer unmittelbaren militärischen Reaktion sprach er aber nicht.
Beendet ist der Konflikt zwischen Washington und Teheran damit aber keineswegs. Er wird sich weiter hinziehen, so wie in den vergangenen Monaten, mit kleineren Aktionen, die die Streitparteien gegeneinander ausführen – mit der Gefahr, dass er erneut hochkocht.
Vor allem für den Irak ist die Krise eine gefährliche Zerreißprobe. Hier sind US-Truppen und proiranische Milizen aktiv. Dass das Land in dem Konflikt zwischen Washington und Teheran eines der Hauptschlachtfelder ist, hat sich bereits in den vergangenen Tagen gezeigt: Im Irak wurde der iranische General Qasem Soleimani von den US-Streitkräften getötet. Und hier haben nun auch die Iraner zurückgeschlagen. Ihre Raketen trafen nicht nur die Basis in Ain al-Asad in der Provinz Anbar, sondern auch ein Militärcamp bei Erbil, der Hauptstadt der irakischen Kurdenregion.
Die Führung der irakischen Kurden versucht derzeit, sich möglichst aus dem Konflikt herauszuhalten. Sie will keine Auseinandersetzung mit dem großen Nachbarn Iran riskieren. Die Macht Teherans hat sie schon in den vergangenen Jahren immer wieder zu spüren bekommen. Einerseits als Hilfe: 2014 kam der nun getötete Soleimani mit Männern seiner Quds-Einheit nach Erbil, um als einer der ersten der Kurdenregion gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) beizustehen. Anderseits aber auch als gewaltige Bedrohung: 2017 schaltete sich Soleimani in den Streit zwischen der Regierung in Bagdad und Erbil ein und orchestrierte die Vertreibung kurdischer Peshmerga aus Kirkuk. Und Irans Revolutionsgarden attackierten immer wieder Rückzugsbasen oppositioneller iranisch-kurdischer Parteien im Nordirak – etwa beim massiven Raketenangriff auf ein Camp nahe der Stadt Koya 2018.
Obwohl die kurdische Regionalregierung keinen Konflikt mit Teheran will, hat sie nun klargestellt, dass die USTruppen in ihrem Gebiet bleiben sollen. Wegen Trumps sprunghafter NahostPolitik haben die USA zwar an Vertrauen eingebüßt. Trotzdem werden die Amerikaner nach wie vor als letzte Rückversicherung gesehen, als Garanten der kurdischen Autonomie, sollten die benachbarten Mächte oder auch Bagdad diese irgendwann wieder beenden wollen.
Die amerikanischen Kräfte helfen gemeinsam mit europäischen Soldaten den irakischen Kurden auch beim Kampf gegen die letzten versprengten IS-Einheiten. Nach der Zerschlagung des von ihnen ausgerufenen „Kalifats“sind die Jihadisten des Islamischen Staates in den Untergrund abgetaucht. Sie warten im Irak und in Syrien auf eine neue Chance. Die Rückeroberung größerer Gebiete wird den IS-Kämpfern wohl nicht mehr so rasch gelingen. Sie können aber ihren Untergrundkrieg aber weiter intensivieren. Sie setzten mittlerweile längst wieder auf ihre Strategie von Attentaten und militärischen Überfällen, um Chaos zu stiften.
In vor allem von Sunniten bewohnten Gebieten des Irak wie rund um Mosul, Tikrit oder Falluja hat man mit den proiranischen Milizen noch Rechnungen offen. Dort wirft man den Milizen vor, bei der Vertreibung des IS brutal vorgegangen zu sein – auch gegen Zivilisten. Bei einer militärischen Eskalation im Irak könnten dann auch Kämpfer aus diesen Gebieten versuchen, Rache an den proiranischen Milizen zu nehmen – ob gemeinsam mit dem IS oder unter der Fahne einer neuen Organisation.
Auch wenn der große Showdown zwischen den USA und dem Iran am Mittwoch zunächst abgesagt schien. Der Konflikt gefährdet vor allem den Irak und auch andere Länder der Region. Der Kleinkrieg geht weiter.