Symbolische Vergeltungsaktion
Iran. Das Regime übte mit gezielten Raketenschlägen Rache für die Liquidierung Qasem Soleimanis, will aber einen Krieg mit den USA vermeiden.
Als die iranischen Raketen in Militärstützpunkten beim Nachbarn Irak einschlugen, waren in Teheran nicht nur die Militärplaner hellwach, sondern auch die Diplomaten. Auf der Luftwaffenbasis AlAsad westlich von Bagdad und auf einem Stützpunkt in Erbil im Nordirak gingen in der Nacht zum Mittwoch insgesamt 15 Geschosse nieder – ein Vergeltungsschlag gegen die dort stationierten US-Truppen nach der Liquidierung des iranischen Generals Qasem Soleimani in der vorigen Woche.
Kurz nach dem Angriff meldete sich Mohammed Javad Zarif, der iranische Außenminister, zu Wort: Der Iran und die USA seien jetzt quitt, lautete seine Botschaft. Teheran wollte mit einer spektakulären Aktion gegen die USA das Gesicht wahren, ohne einen Krieg mit der Supermacht zu riskieren. Dass Teheran Adel Abdel-Mahdi, den irakischen Premier, vorgewarnt hat, spricht für eine Strategie der Deeskalation.
Vorwarnung aus Teheran
Nach Angaben der US-Regierung wurden keine US-Soldaten getötet oder verletzt. Die US-Militärs beobachten iranische Abschussrampen per Satellit und konnten ihre Truppen im Irak rechtzeitig in Schutzräume schicken. Auch irakische Soldaten auf den Stützpunkten kamen nach offiziellen Angaben aus Bagdad nicht zu Schaden; die irakische Regierung war von Teheran kurz vor den Angriffen informiert worden. Der Iran startete die Raketen nach dem Abschluss der Trauerfeierlichkeiten für Soleimani.
Raketen sind die Hauptwaffen der Iraner, die wegen der westlichen Sanktionen keine moderne Luftwaffe besitzen. Der Iran verfügt über mehrere Hundert Kurz- und Mittelstreckengeschosse, die US-Stützpunkte überall im Nahen Osten und auch die USPartner Israel und Saudiarabien treffen können. Mit den Angriffen in der Nacht sei der Iran an der unteren Schwelle seiner Möglichkeiten geblieben, sagte ein Berater von Revolutionsführer Ayatollah Ali Khamenei laut dem staatlichen Fernsehen. Hundert weitere Ziele für iranische Angriffe seien vorsorglich ausgewählt worden, darunter explizit Dubai oder Haifa.
Moderate versus Hardliner
Zarif unterstrich jedoch, dass der Iran von sich aus nichts weiter unternehmen will, um den Tod von Soleimani zu sühnen. Die angemessenen Maßnahmen zur Selbstverteidigung seien abgeschlossen, schrieb der Außenminister auf Twitter. „Wir wollen keine Eskalation oder Krieg.“Der Iran werde sich allerdings verteidigen, wenn er angegriffen werde.
Anders als Zarif kehrte Khamenei den Hardliner heraus. Der Revolutionsführer stellte die Raketenangriffe als Demütigung für die Amerikaner hin. Die USA
hätten einen „Schlag ins Gesicht“erhalten, sagte er. Um die Amerikaner aus dem Nahen Osten zu vertreiben, reiche eine einzelne Militäraktion aber nicht aus. Das Staatsfernsehen meldete, 80 „amerikanische Terroristen“seien ums Leben gekommen, zudem hätten die iranischen Raketen modernes US-Kriegsgerät wie Hubschrauber außer Gefecht gesetzt. Der Bericht war offenbar vor allem als Propagandameldung für das heimische Publikum gedacht, denn es gab keine Hinweise, dass die USA tatsächlich so schwere Verluste erlitten hätten.
Experten werten die Vorgehensweise der Iraner als Versuch der Deeskalation. Die Raketenangriffe waren demnach vor allem als symbolische Vergeltung gedacht und weniger als Versuch, Schaden anzurichten. Teheran biete Trump einen Ausweg an, um den Konflikt zu entschärfen, kommentierte Tobias Schneider von der Denkfabrik GPPI (Global Public Policy Institute) in Berlin auf Twitter.
Ein sofortiger Gegenschlag der USA – der US-Präsident hatte dem Iran in den vergangenen Tagen mit unmittelbaren und vernichtenden Angriffen gedroht – blieb zunächst jedenfalls aus. In einer ersten Analyse kam die US-Regierung offenbar zu dem Schluss, dass der iranische Beschuss glimpflich ausging.
Nur eine Atempause
Doch selbst wenn Iraner und Amerikaner nach den Raketenangriffen die Spirale von Gewalt und Gegengewalt anhalten können, könnte dies nur eine Atempause sein. Ihren Konflikt hätten sie damit noch längst nicht beigelegt. Trump will den Iran mit Wirtschaftssanktionen zu weitgehenden Zugeständnissen in der Atomfrage und zu einem Ende der aggressiven Politik im Nahen Osten zwingen. Dagegen strebt der Iran den Abzug der USA aus der Region an und nimmt die sunnitische Führungsmacht Saudiarabien sowie Israel ins Visier.
General Ismael Qaani, Nachfolger von Soleimani als Chef der Auslandstruppen der Revolutionsgarden, dürfte auch weiterhin auf iranische Verbündete wie die Hisbollah im Libanon, die Houthis im Jemen oder schiitische Milizen im Irak setzen, um diese Ziele zu erreichen. Es ist mit verstärkten Aktivitäten der Revolutionsgarden zu rechnen.