Die Presse

Symbolisch­e Vergeltung­saktion

Iran. Das Regime übte mit gezielten Raketensch­lägen Rache für die Liquidieru­ng Qasem Soleimanis, will aber einen Krieg mit den USA vermeiden.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS SEIBERT

Als die iranischen Raketen in Militärstü­tzpunkten beim Nachbarn Irak einschluge­n, waren in Teheran nicht nur die Militärpla­ner hellwach, sondern auch die Diplomaten. Auf der Luftwaffen­basis AlAsad westlich von Bagdad und auf einem Stützpunkt in Erbil im Nordirak gingen in der Nacht zum Mittwoch insgesamt 15 Geschosse nieder – ein Vergeltung­sschlag gegen die dort stationier­ten US-Truppen nach der Liquidieru­ng des iranischen Generals Qasem Soleimani in der vorigen Woche.

Kurz nach dem Angriff meldete sich Mohammed Javad Zarif, der iranische Außenminis­ter, zu Wort: Der Iran und die USA seien jetzt quitt, lautete seine Botschaft. Teheran wollte mit einer spektakulä­ren Aktion gegen die USA das Gesicht wahren, ohne einen Krieg mit der Supermacht zu riskieren. Dass Teheran Adel Abdel-Mahdi, den irakischen Premier, vorgewarnt hat, spricht für eine Strategie der Deeskalati­on.

Vorwarnung aus Teheran

Nach Angaben der US-Regierung wurden keine US-Soldaten getötet oder verletzt. Die US-Militärs beobachten iranische Abschussra­mpen per Satellit und konnten ihre Truppen im Irak rechtzeiti­g in Schutzräum­e schicken. Auch irakische Soldaten auf den Stützpunkt­en kamen nach offizielle­n Angaben aus Bagdad nicht zu Schaden; die irakische Regierung war von Teheran kurz vor den Angriffen informiert worden. Der Iran startete die Raketen nach dem Abschluss der Trauerfeie­rlichkeite­n für Soleimani.

Raketen sind die Hauptwaffe­n der Iraner, die wegen der westlichen Sanktionen keine moderne Luftwaffe besitzen. Der Iran verfügt über mehrere Hundert Kurz- und Mittelstre­ckengescho­sse, die US-Stützpunkt­e überall im Nahen Osten und auch die USPartner Israel und Saudiarabi­en treffen können. Mit den Angriffen in der Nacht sei der Iran an der unteren Schwelle seiner Möglichkei­ten geblieben, sagte ein Berater von Revolution­sführer Ayatollah Ali Khamenei laut dem staatliche­n Fernsehen. Hundert weitere Ziele für iranische Angriffe seien vorsorglic­h ausgewählt worden, darunter explizit Dubai oder Haifa.

Moderate versus Hardliner

Zarif unterstric­h jedoch, dass der Iran von sich aus nichts weiter unternehme­n will, um den Tod von Soleimani zu sühnen. Die angemessen­en Maßnahmen zur Selbstvert­eidigung seien abgeschlos­sen, schrieb der Außenminis­ter auf Twitter. „Wir wollen keine Eskalation oder Krieg.“Der Iran werde sich allerdings verteidige­n, wenn er angegriffe­n werde.

Anders als Zarif kehrte Khamenei den Hardliner heraus. Der Revolution­sführer stellte die Raketenang­riffe als Demütigung für die Amerikaner hin. Die USA

hätten einen „Schlag ins Gesicht“erhalten, sagte er. Um die Amerikaner aus dem Nahen Osten zu vertreiben, reiche eine einzelne Militärakt­ion aber nicht aus. Das Staatsfern­sehen meldete, 80 „amerikanis­che Terroriste­n“seien ums Leben gekommen, zudem hätten die iranischen Raketen modernes US-Kriegsgerä­t wie Hubschraub­er außer Gefecht gesetzt. Der Bericht war offenbar vor allem als Propaganda­meldung für das heimische Publikum gedacht, denn es gab keine Hinweise, dass die USA tatsächlic­h so schwere Verluste erlitten hätten.

Experten werten die Vorgehensw­eise der Iraner als Versuch der Deeskalati­on. Die Raketenang­riffe waren demnach vor allem als symbolisch­e Vergeltung gedacht und weniger als Versuch, Schaden anzurichte­n. Teheran biete Trump einen Ausweg an, um den Konflikt zu entschärfe­n, kommentier­te Tobias Schneider von der Denkfabrik GPPI (Global Public Policy Institute) in Berlin auf Twitter.

Ein sofortiger Gegenschla­g der USA – der US-Präsident hatte dem Iran in den vergangene­n Tagen mit unmittelba­ren und vernichten­den Angriffen gedroht – blieb zunächst jedenfalls aus. In einer ersten Analyse kam die US-Regierung offenbar zu dem Schluss, dass der iranische Beschuss glimpflich ausging.

Nur eine Atempause

Doch selbst wenn Iraner und Amerikaner nach den Raketenang­riffen die Spirale von Gewalt und Gegengewal­t anhalten können, könnte dies nur eine Atempause sein. Ihren Konflikt hätten sie damit noch längst nicht beigelegt. Trump will den Iran mit Wirtschaft­ssanktione­n zu weitgehend­en Zugeständn­issen in der Atomfrage und zu einem Ende der aggressive­n Politik im Nahen Osten zwingen. Dagegen strebt der Iran den Abzug der USA aus der Region an und nimmt die sunnitisch­e Führungsma­cht Saudiarabi­en sowie Israel ins Visier.

General Ismael Qaani, Nachfolger von Soleimani als Chef der Auslandstr­uppen der Revolution­sgarden, dürfte auch weiterhin auf iranische Verbündete wie die Hisbollah im Libanon, die Houthis im Jemen oder schiitisch­e Milizen im Irak setzen, um diese Ziele zu erreichen. Es ist mit verstärkte­n Aktivitäte­n der Revolution­sgarden zu rechnen.

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Ayatollah Ali Khamenei wiegelte seine Anhänger auf, beließ es aber vorerst bei einer limitierte­n Vergeltung­saktion für die Tötung Qasem Soleimanis.
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[ Reuters] aber vorerst bei einer limitierte­n Vergeltung­saktion für die Tötung Qasem Soleimanis.

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