Das riskante rote Abenteuer des Pedro S´anchez
Analyse. Kostspielige Pläne und die Katalonien-Krise dürften die labile Linkskoalition in Spanien aus dem Gleichgewicht bringen.
In Spaniens turbulenter jüngerer Geschichte beginnt ein neues Kapitel. Erstmals wird die Post-Franco-Demokratie von einer Koalition regiert, und die ist strahlend rot: Nach mühevollen Verhandlung hat der Sozialist Pedro Sanchez´ nun doch die Linksaußen-Partei Unidas Podemos in seine Regierung aufgenommen. Damit will er die Endlosschleife an Wahlwiederholungen und kurzlebigen Minderheitsregierungen beenden. Immerhin wählten die Spanier in den vergangenen vier Jahren vier Mal ein neues Parlament.
Am Mittwoch vereidigte König Felipe VI. den Sozialisten. Fraglich ist nun, ob das Koalitions-Abenteuer Sanchez´ die ersehnte Stabilität bringen wird. Die Zeichen stehen eher auf politischer Achterbahnfahrt. Grund ist zum einen die Unberechenbarkeit von Podemos selbst, mit deren Chef, Pablo Iglesias, der Premier noch im Juli „niemals eine Regierung“bilden wollte, weil „dies nie funktionieren würde, die Regierung wäre paralysiert“. Zu groß seien die Differenzen in der Katalonien- und Wirtschaftspolitik: Podemos befürwortet im Gegensatz zu den Sozialisten ein Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien, ökonomisch fahren die Linkspopulisten einen radikalen Anti-Austeritäts-Kurs und planen kostspielige Sozialprogramme.
Sanchez´ dürfte nun diese Differenzen für eine breitere Parlamentszustimmung in Kauf nehmen. Auf wackeligem Boden steht die neue Regierung trotzdem, eine parlamentarische Mehrheit fehlt weiterhin. Um Gesetze zu verabschieden, braucht die Koalition kleinere Parteien. Das wurde bereits beim Vertrauensvotum deutlich: Sanchez´ erhielt erst im zweiten Abstimmungsverfahren am Dienstag grünes Licht – und auch das nur knapp: 167 Abgeordnete stimmten für, 165 gegen Sanchez.´
Und so begibt sich der Sozialist erneut in eine brenzlige Abhängigkeit, die schon vor einem Jahr seine Regierung sprengte: Er paktiert wieder mit katalanischen Separatisten. Im vergangenen Februar hatten diese das Budget der Sozialisten abgelehnt und somit Neuwahlen provoziert. Diesmal baut Sanchez´ auf gemäßigtere Unabhängigkeitsbefürworter, die linksgerichtete ERC. In einem vagen Abkommen vereinbarte man einen „Dialog“– wobei die ERC darin die Option eines Referendums sieht, was die Sozialisten ablehnen. Offenbar erwarten sich die Sezessionisten eine Amnestie für Politiker und Aktivisten. Wegen des verbotenen Unabhängigkeitsvotums 2017 sind auch ERC-Mitglieder in Haft, darunter ihr Chef, Oriol Junqueras. Eine Amnestie oder zu weitgehende Katalonien-Zugeständnisse würden Sanchez´ in der Öffentlichkeit in Bedrängnis bringen.
Bevor Sanchez´ das heiße Eisen der chronischen Katalonien-Krise anfasst, muss er das Budget für 2020 verabschieden. Dafür wird ein Spagat zwischen strengen Brüssler Vorgaben und Podemos-Plänen notwendig sein. Im Koalitionsabkommen ist unter anderem ein Ende der Arbeitsmarktreform vorgesehen, mit der die konservative Regierung die Arbeitslosigkeit von 26,3 Prozent auf 14 Prozent senkte. Die neue Linkskoalition will Arbeitnehmer wieder zu fixen Anstellungen bewegen, was angesichts des langsamen Wachstums vielen möglicherweise zu teuer wird. Vorgesehen sind zudem höhere Steuern für Topverdiener. Auch das Mindesteinkommen soll auf 1200 Euro gesteigert werden. Ökonomen sind skeptisch, ob Spanien sich all das leisten kann: Das Land erholt sich gerade erst langsam von der schweren Finanzkrise 2011.
Heftiger Gegenwind kommt auch von rechts. Die rechtspopulistische Vox, inzwischen drittstärkste politische Kraft, punktet mit einem harten Katalonien-Kurs. Separatistische „Vaterlandsverräter“müssten ins Gefängnis, fordert sie. Bereits am Wochenende will Vox gegen die neue Koalition demonstrieren. Konservativen-Chef Pablo Casado frohlockt indes. Er sieht jetzt schon ein nahes Ende der „Frankenstein-Koalition“.