Die Presse

Die Zahl der Krätze-Fälle steigt

Medizin. Die Krätze taucht wieder öfter auf. Ärzten bereitet die Stigmatisi­erung der Krankheit Sorgen. Sie führe dazu, dass Patienten Therapien schlecht einhalten und die Milben sich verbreiten.

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Es fängt mit einem Jucken an dünnen und warmen Hautstelle­n an, etwa zwischen Fingern und Zehen oder im Achselbere­ich, das schnell höllisch quälend wird – besonders in der Nacht im warmen Bett. Sichtbar ist auch ein Ausschlag: Kleine Pusteln und Bläschen, die wie eine Allergie wirken. Die Symptome sind jene der Krätze (Scabies). Das sind Milben die sich unter der Haut einnisten. Die Zahl der Krätzefäll­e im AKH Wien ist in den vergangene­n zwei Jahren deutlich gestiegen, wie Radio Wien am Mittwoch berichtete.

Die Universitä­tsklinik für Dermatolog­ie am AKH Wien musste im Vorjahr 2421 Krätze-Behandlung­en durchführe­n (wobei Kontrollen und wiederholt­e Besuche hier inbegriffe­n sind). 2018 waren es 1259 Behandlung­en, im Jahr 2017 gerade einmal 409. „Auch in anderen europäisch­en Ländern steigen die Zahlen“, sagt Alessandra Handisurya, Leiterin der Dermatolog­ie-Ambulanz am Wiener AKH.

„Wir wissen nicht, woran es liegt“, sagt Handisurya. Sie glaubt, dass vor allem die gestiegene Reisetätig­keit der Menschen der Krankheit dafür verantwort­lich ist. An einer bestimmten Bevölkerun­gsgruppe, etwa Asylwerber­n, will sie die Entwicklun­g nicht festmachen. Denn erstens war die Krätze nie aus Österreich verschwund­en. Zweitens seien unter ihren Patienten Menschen aus allen Bevölkerun­gsschichte­n und Bezirken. Auch brauche es für die Übertragun­g engen (Haut)Kontakt – und den habe nicht jede Gesellscha­ftsschicht mit jeder. Sie nennt es „wirklich Pech“, wer von der Milbe befallen werde. „Ich versuche auch immer aufzukläre­n. Es hat wirklich nichts mit Hygiene zu tun oder damit, dass Leute schmutzig seien.“

Für eine Übertragun­g braucht es längeren Hautkontak­t von fünf bis zehn Minuten. Ein einfacher Händedruck, ein U-Bahn-Fahrt, der Aufenthalt im Wartezimme­r sollten also nicht ausreichen. Denn die Tiere springen nicht, sie fliegen nicht. Allerdings zeigen Studien, dass sich die Milben in der Kleidung von Betroffene­n befinden, ebenso können sie in Teppichen oder der Bettwäsche sein. Eine Ansteckung darüber kann nicht ausgeschlo­ssen werden. Damit ist die Krätze ein Problem, wenn viele Menschen auf wenig Raum leben.

Im AKH rät man, immer die ganze Familie oder Partner zu therapiere­n, bis zu den Großeltern. Und da fängt das Problem schon an. Wenn niemand zugebe, die Krätze zu haben, dann können nicht alle behandelt werden. Doch die Vorsicht ist wohl auch berechtigt: Handisurya erzählt von Patienten, die in der Arbeit massiv gemobbt wurden, als sie ihre Krankheit gemeldet haben. „Die Stigmatisi­erung ist das Schlimmste“, sagt sie. Auch deshalb ist ihr Aufklärung wichtig. Denn ein Krätzebefa­ll gehöre im Kindergart­en oder der Schule gemeldet.

Im AKH werden Salben und Tabletten gegeben. Auch, weil die Milben immer resistente­r gegen übliche Salben werden. Aufwendig ist die (wichtige) Desinfekti­on des Lebensraum­s. Kleidung, Bettwäsche, Handtücher gehören bei 60 Grad (besser sind mehr) gewaschen. Auch Kinderwage­n, Teppiche, Couch, Schuhe gehören mit Milbenspra­ys behandelt. „Das kostete freilich Zeit und Geld“. Selbst sollte man zwei Wochen nach der letzten Anwendung beziehungs­weise Einnahme der Therapie geschützt sein.

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