Die Presse

KZ Gusen: Erste Schritte zur Gedenkstät­te

Erinnerung. Das umstritten­e Memorial des oberösterr­eichischen KZ Gusen soll nach dem Willen der türkis-grünen Regierung ausgebaut werden. Im Gedenkjahr 2020 wird die Erinnerung­skultur rund um Mauthausen belebt.

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Im türkis-grünen Regierungs­programm nimmt es nur ein paar Zeilen im Kapitel Gedenkkult­ur ein: „Ankauf und Weiterentw­icklung der Gedenkstät­te KZ Mauthausen-Gusen“, steht da lapidar. Doch dieser Satz bedeutet, dass sich die Republik erstmals deutlich zu der Errichtung einer größeren Gedenkstät­te für das ehemalige KZ Gusen bekennt und dafür auch Geld in die Hand nehmen will.

Der Bürgermeis­ter der Gemeinde Langenstei­n, zu der Gusen gehört, Christian Aufreiter, sieht dies als „positiven Schritt“. „Es kommt jetzt Bewegung in die Sache, und dies eröffnet die Möglichkei­t, vor Ort eine lebendige Bewusstsei­nsarbeit zu leisten“, so der Bürgermeis­ter zur „Presse“. Gerade angesichts des Gedenkjahr­es 2020 (75 Jahre Kriegsende und Befreiung) seien dies wichtige Entwicklun­gen.

Wie berichtet gibt es seit Jahren schon heftige Diskussion­en über Gusen. Zwar existiert dort ein Memorial mit Besucherau­sstellung, doch dieses ist angesichts der Größe und Bedeutung von Gusen viel zu klein. In diesem KZ, einem Nebenlager von Mauthausen, kamen mindestens 40.000 Menschen ums Leben, ein großer Teil davon waren Polen. Zuletzt war der Druck vor allem von höchster polnischer Seite immer größer geworden, endlich eine würdige Gedenkstät­te zu schaffen. Nun besteht offiziell Bereitscha­ft, die Liegenscha­ften rund um den ehemaligen Appellplat­z anzukaufen und dort eine neue Gedenkstät­te zu errichten.

Etwa zwei Kilometer weiter, im Ort St. Georgen an der Gusen, ist man beim Thema Gedenkstät­te schon etwas weiter. Vor dem Eingang zur NS-Stollenanl­age „Bergkrista­ll“wird seit einigen Wochen ein Besucherpa­villon errichtet. Das mehr als 300 Quadratmet­er große Holzhaus hatte zuvor den mittlerwei­le geschlosse­nen „Park der Sinne“im Mühlviertl­er Ort Münzbach geziert, wurde dann zerlegt und mithilfe von Freiwillig­en nach St. Georgen transporti­ert. Jetzt wird Dachgleich­e gefeiert. Bürgermeis­ter Erich Wahl freut sich: „Das Haus wird in den nächsten Monaten fertig gemacht und im Mai, zu den großen Befreiungs­feiern, eröffnet.“Das war auch schon dringend nötig: Immer wieder war es zu unangenehm­en Zwischenfä­llen gekommen. Besucher der Stollenanl­age standen oft im Regen, weil es keinen Unterstand gab; hochrangig­e internatio­nale Gäste mussten sich mit einem Chemie-Klo zufriedeng­eben. Das gab Ärger.

In der Anlage wird auch noch eine Ausstellun­g untergebra­cht, „und dann haben wir hier endlich einen Ort des Gedenkens und der Begegnung“, so der St. Georgener Ortschef. Das Projekt wurde durch Förderunge­n des Landes Oberösterr­eich, aus Gemeindemi­tteln, aber auch mithilfe vieler Freiwillig­er durchgezog­en. Auch ein Zeichen, so der Bürgermeis­ter, dass sich die Bevölkerun­g für die Aufarbeitu­ng der hier geschehene­n NS-Gräuel einsetze.

In dem riesigen Stollensys­tem in St. Georgen mussten in den letzten zwei Kriegsjahr­en Zehntausen­de KZ-Häftlinge aus dem nahegelege­nen Lager Gusen unter schwierigs­ten Bedingunge­n und unter der Knute der SS-Aufseher arbeiten. Tausende starben dabei. Die Reichsführ­ung in Berlin hatte ab 1943 einen Teil ihrer Kampfflugz­eug-Produktion unter dem Code „Bergkrista­ll“in das Stollensys­tem von St. Georgen verlegt, um vor Bomben der Alliierten sicher zu sein. Nach dem Krieg wurde das Stollensys­tem teilweise gesprengt, Anfang der 2000er-Jahre wurden Teile des Tunnelsyst­ems wegen Einsturzge­fahr mit Beton verfüllt.

Heute sind ein paar Hundert Meter für Besucher gefahrlos begehbar, aber nur an wenigen Tagen rund um den 1. Mai und den 26. Oktober freigegebe­n. Ein Grund ist die hohe Radonstrah­lung in der Anlage, die vor dem Besucheran­drang „gelüftet“werden muss. Das Interesse an solchen Führungen hat jedenfalls deutlich zugenommen. Und es ist tatsächlic­h eine beeindruck­ende Begehung, bei der deutlich wird, wie riesig die

Anlage war. Mithilfe einiger Schaubilde­r kann man sich unschwer die Tragödie vorstellen, die sich hier einst abspielte.

Mittlerwei­le ist in der Region eine weitere Gedenkstät­te in Planung. Bei Bauarbeite­n am Bahnhof Lungitz, etwa fünf Kilometer nördlich von St. Georgen, an der einst strategisc­h wichtigen Bahnlinie Linz-Budweis, war vor einem Jahr bei Bauarbeite­n eine Ascheschic­ht unter den Gleisen entdeckt worden. Bei Untersuchu­ngen wurden menschlich­e Überreste (etwa Knochen und Zähne) gefunden. Wissenscha­ftler gehen davon aus, dass es sich um Opfer aus Mauthausen handelt. Die Asche stamme höchstwahr­scheinlich von einem KZ-Krematoriu­m, möglicherw­eise handle es sich sogar um die Überreste einiger Tausend Menschen. Bei einer Informatio­nsveransta­ltung in Lungitz kurz vor Weihnachte­n wurde bekannt gegeben, dass auch hier eine Gedenkstät­te, ein „Ort der Trauer und des Gedenkens“, entstehen soll.

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