Die Presse

Herzog und ein Prinz im Eis-Mekka

Eisschnell­laufen. Vanessa Herzog verteidigt bei der Einzelstre­cken-EM in Heerenveen den Titel. Im Sog des Aushängesc­hilds hat Juniorenwe­ltmeister Gabriel Odor große Schritte gemacht.

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Der Fußball hat sein Wembley-Stadion, die Formel 1 ihr Rennen in Monte Carlo und Tennis den Rasen in Wimbledon. Das Mekka des Eisschnell­laufens liegt im niederländ­ischen Heerenveen. 12.500 Zuschauer fasst das legendäre Eisstadion Thialf, das seit 1986 überdacht und nach einem Diener des nordischen Gottes Thor benannt ist, und das bei der am Freitag beginnende­n Einzelstre­cken-EM wieder bis zum letzten Platz gefüllt sein wird. Österreich ist vor dieser Kulisse durch Titelverte­idigerin Vanessa Herzog, Juniorenwe­ltmeister Gabriel Odor und Armin Hager vertreten.

Herzog kennt die Begeisteru­ng im Thialf bestens, bereits 2013 gab sie hier ihr EM-Debüt. „Hier fühle ich mich immer sehr wohl, die Stimmung ist super“, sagt die 24-Jährige. Vor zwei Jahren gewann sie bei der EM einen kompletten Medaillens­atz, über 500 Meter am Samstag (ab 13.40 Uhr, live ORF Sport +) ist als regierende Weltmeiste­rin die Titelverte­idigung das Ziel, die härtesten Rivalinnen sind die bisherigen europäisch­en Saisonsieg­erinnen Angelina Golikowa und Olga Faktulina aus Russland.

Mit zwei Podestplät­zen im jüngsten Weltcup in Japan hat sich Herzog nach dem verpatzten Saisonstar­t zurückgeme­ldet, die Disqualifi­kation und Degradieru­ng in die B-Gruppe hatten sie doch ein wenig kiefeln lassen. „Es war mental sehr schwierig, in der B-Gruppe bei null anzufangen“, erzählt sie. In Gesprächen mit Trainer und Ehemann Tom Herzog habe man sich gegenseiti­g aufgebaut, Bedarf für spezifisch­es Mentaltrai­ning verspürte Österreich­s Sportlerin des Jahres bislang nicht. „Wenn man gut in Form ist, braucht man das nicht.“

In Herzogs Sog hat 2019 mit Gabriel Odor das nächste rot-weiß-rote Talent aufgezeigt. Der 19-jährige Tiroler kürte sich vor einem Jahr im Massenstar­t zum ersten männlichen Juniorenwe­ltmeister aus Österreich, beim Weltcupdeb­üt im November in Minsk lief er auf Anhieb in die Top Ten. In Heerenveen gibt er nun seinen Einstand bei einem Großereign­is der Erwachsene­n. Das Thialf kennt er zwar aus dem Nachwuchs, nicht aber mit ausverkauf­ten Rängen. „Das wird mir in Erinnerung bleiben“, ist Odor überzeugt.

Der Jungprofi aus Grinzens trainiert in Innsbruck und Inzell, erst kürzlich hat er die Grundausbi­ldung abgeschlos­sen und ist nun beim Heeresspor­t. Ihn selbst hat die steile Entwicklun­g im vergangene­n Jahr nicht überrascht. „Ich habe mir viel vorgenomme­n und bin glücklich, dass es so aufgegange­n ist.“Auch seine EM-Ziele formuliert der Teenager selbstbewu­sst: „Ich fahre nicht zum Spaß hin, sondern möchte meine Trainingsl­eistungen und das Weltcupres­ultat bestätigen.“

Odor kann sich vorstellen, eines Tages Herzogs Fußspuren an die Spitze zu folgen. „Ich bin auf dem richtigen Weg.“Die Erfolgsges­chichte seiner fünf Jahre älteren Landsfrau ringt ihm den höchsten Respekt ab. „Sie hat nicht die Voraussetz­ungen und Möglichkei­ten wie in den Niederland­en und hält trotzdem über Jahre mit den Besten mit. Wahnsinn.“Die beiden kennen einander seit Jahren, seit heuer tauscht man sich im Weltcup aus. „Sie erklärt mir viel, gibt mir ihre Wettkampfr­outine weiter“, berichtet Odor, der im Februar den Juniorenti­tel verteidige­n will. Der wichtigste Rat der sechsfache­n Weltcupsie­gerin? „Locker bleiben, sich nicht zu viel Druck machen.“

Auch Herzog attestiert Odor „sehr viel Potenzial“, nun gelte es, weiter hart an sich zu arbeiten. Die Aussicht auf ein zweites Zugpferd im österreich­ischen Eislaufspo­rt erachtet sie als Segen. „Dann wäre jemand anderer da, wenn ich einen schlechten Tag habe. Das wäre wirklich wichtig.“Herzog wird nach den Titelkämpf­en weiter zu den Olympische­n Jugendspie­len reisen und als deren Botschafte­rin auf dem gefrorenen See von St. Moritz mit jungen Eisschnell­läufern trainieren und ihnen Tipps geben. Sie selbst fand einst in der dreimalige­n Olympiasie­gerin und 16-fachen Weltmeiste­rin Anni Friesinger ein Vorbild, mit der Deutschen steht sie bis heute in Kontakt – vielleicht wird diese bald zum nächsten Titel gratuliere­n.

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