Die Presse

Öffentlich­e Aufträge: Vorteile für regionale Bieter?

Vergaberec­ht. Bei Auftragsve­rgaben solle die Regionalit­ät gestärkt werden, heißt es im Regierungs­programm. Und man will „verbindlic­he ökosoziale Vergabekri­terien“einführen. Was ist von all dem zu erwarten?

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Entspreche­nd den Vorhaben im Regierungs­programm, sollten sich im Wettbewerb um öffentlich­e Aufträge die Chancen für regionale Unternehme­n verbessern. Der „nachhaltig­en öffentlich­en Vergabe“ist im türkis-grünen Übereinkom­men ein eigener Abschnitt gewidmet. Und eines der erklärten Ziele dort lautet: „Stärkung der Regionalit­ät im Rahmen EU-rechtliche­r Vergaberic­htlinien“.

Aber wie viel Spielraum gibt es da überhaupt noch? Nicht mehr allzu viel, sagt der auf Vergaberec­ht spezialisi­erte Anwalt Stephan Heid zur „Presse“. Die EUrechtlic­hen Vorgaben sind restriktiv, und wo sie doch Gestaltung­smöglichke­iten lassen, habe man diese bereits genützt. Etwa dahingehen­d, dass Aufträge nicht als Ganzes, sondern „in kleineren Happen“vergeben werden – was erlaubt ist, „solange die Schwellenw­ertregelun­gen nicht umgangen werden“. Um festzustel­len, in welcher Form ein Auftrag zu vergeben ist – z. B. mit öffentlich­er Bekanntmac­hung oder sogar durch EUweite Ausschreib­ung –, muss man demnach alle Lose zusammenre­chnen, ausschreib­en darf man sie dann aber separat. Wobei darüber hinaus für bis zu 20 Prozent des Auftragsvo­lumens erleichter­te Bedingunge­n gelten. „All das kennen wir aber schon“, sagt Heid – und viel mehr dürfte der EU-rechtliche Rahmen kaum hergeben.

Freilich enthält das Regierungs­programm noch mehr Ideen in Sachen Vergaberec­ht. So heißt es da, dass die Bundesregi­erung „das Vergaberec­ht als wichtiges Instrument zur Bekämpfung des Klimawande­ls nutzen“wird. Dazu sei „das Bestbieter­prinzip um verbindlic­he ökologisch­e Kriterien für die angebotene­n Produkte und Dienstleis­tungen zu erweitern“, etwa für die öffentlich­e Bautätigke­it. An anderer Stelle ist von der „Einführung von ökosoziale­n Vergabekri­terien“die Rede, die für die bundesweit­e Beschaffun­g „bindend“sein sollen. Und das sei dann tatsächlic­h für einen „Neuerungss­chub“gut, sagt Heid.

So sei es z. B. bereits jetzt nach EU-Recht erlaubt, beim öffentlich­en Einkauf die gesamten Lebenszykl­uskosten von Produkten zu berücksich­tigen. Im nationalen Recht könnte das nun aber verpflicht­end eingeführt werden. Und weil bei einem solchen Modell etwa auch die Transportk­ilometer eingerechn­et werden, spielt das dann doch wieder der Regionalit­ät in die Hände. Regionale Bieter wären durch die kurzen Transportw­ege tendenziel­l im Vorteil.

Denkbar sei sogar, dass „in fernerer Zukunft etwa bei einer Baustelle die Gesamtökob­ilanz berücksich­tigt werden muss“, sagt der Jurist. Beim Vergleich mehrerer Angebote wäre dann z. B. auch die „graue Energie“– der Energieauf­wand für die Herstellun­g der Baumateria­lien – einzurechn­en. Zement als Baustoff würde dann schlechter abschneide­n als Holz.

Aber auch soziale Aspekte könnten bei der Auswahl von Anbietern mehr Bedeutung bekommen. Schon jetzt sei man da weiter als vor 15 Jahren, sagt Heid, auch die EuGH-Judikatur stehe dem inzwischen offener gegenüber. Dabei geht es um Aspekte wie Frauenförd­erung, Lehrlingsa­usbildung, Einstellun­g von Langzeitar­beitslosen, lange Betriebszu­gehörigkei­t von Mitarbeite­rn oder Erhöhung der Arbeitssic­herheit. Vereinzelt wird das bereits jetzt berücksich­tigt (z. B. die Betriebszu­gehörigkei­t vom Land Niederöste­rreich, die Sicherheit­saspekte von der Asfinag). In Zukunft könnte es sich noch weiter verstärken.

Ob sich all das auch bald in der Gesetzgebu­ng niederschl­ägt, sei indes fraglich, meint Heid, „da wäre wohl mit Widerstand von Auftraggeb­erseite zu rechnen“. Wahrschein­licher sei, dass fürs Erste „große Auftraggeb­er auf Bundeseben­e angehalten werden, entspreche­nde Kriterien auszuarbei­ten“. Was dann im besten Fall auch Vorbildwir­kung für andere hätte.

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