Die Presse

Werden wir bald Zeugen einer Supernova?

Astronomie. Der rote Riesenster­n Beteigeuze verliert seit einigen Wochen dramatisch an Leuchtkraf­t – ein mögliches Anzeichen seiner baldigen Explosion. Er könnte dann monatelang so hell strahlen wie der Mond.

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Im Oktober fiel es auf: Der rote Überriese Beteigeuze im Sternbild des Orion verliert an Leuchtkraf­t, in den letzten Wochen sogar dramatisch und für jedermann sichtbar. Im Ranking der hellsten Sterne am Nachthimme­l ist er damit von den Top Ten auf den den 21. Platz zurückgefa­llen. Warum? Vielleicht deshalb, weil er massiv an Masse verliert und der ins All geschleude­rte Staub ihn verdunkelt. Dann stünde er unmittelba­r vor seinem Tod durch eine gewaltige Explosion, die ihn in einen Neutronens­tern oder ein Schwarzes Loch verwandelt. Der Himmelskör­per würde dann mindestens ein paar Monate lang so hell wie der Mond erstrahlen, in der Nacht auf der Erde Schatten werfen und auch tagsüber zu sehen sein.

Ob dieser Möglichkei­t schlagen die Herzen der Astronomen höher: Sie wären Zeugen einer Supernova, aus der ersten Reihe – noch nie in der Menschheit­sgeschicht­e ist ein so nahe gelegener Stern explodiert. Die „Schulter“des Jägers Orion befindet sich nur rund 640 Lichtjahre von uns entfernt (was wir zu sehen bekämen, wäre also im späten Mittelalte­r passiert). Beteigeuze hat den 700-fachen Durchmesse­r unserer Sonne und würde an ihrer Stelle den Raum bis zum Jupiter einnehmen. Aber wie alle von seiner Sorte lebt er nur kurz. Weniger als zehn Millionen Jahre alt (unsere Sonne hat 4,5 Milliarden Jahre hinter sich), ist der Stern schon am Ende – weshalb wir ihn rostrot sehen.

So wie alle Sterne ist er entstanden, indem er Wasserstof­f zu Helium verschmolz. Weil ihm nun der Wasserstof­f ausgeht, fusioniert er das Helium, das seinen Kern anheizt und ihn expandiere­n ließ, in immer schwerere Elemente. Am Ende bleiben Eisen und Nickel, der Gravitatio­n der äußeren Schichten wirkt kein Strahlungs­druck vom Kern mehr entgegen, der Stern bricht in sich zusammen, erhitzt sich enorm und explodiert.

Aber wann? „Bald“kann in kosmischen Dimensione­n bedeuten: in 100.000 Jahren, in 1000 – oder schon in den nächsten Tagen. So sehr sich die Forscher eine zeitlich und räumlich supernahe Supernova wünschen: Darauf wetten würde niemand. Dass die Leuchtkraf­t von Beteigeuze schwankt, beobachtet­en schon australisc­he Ureinwohne­r vor langer Zeit, wovon ihre Märchen zeugen. Auffällig ist freilich das aktuelle Ausmaß. Die plausibels­te Erklärung dafür liefert Edward Guinan von der Villanova University: Die Helligkeit ändert sich nicht streng periodisch, weil sich zwei Zyklen überlagern. Beide sind gerade an ihrem Minimum angelangt, das könnte Beteigeuze so fahl erscheinen lassen. Aber diese Phase dürfte nur mehr einige Wochen dauern.

Wenn er dann noch immer nicht heller strahlt, könnte es doch spannend werden. Passieren sollte uns jedenfalls nichts. Es ist fraglich, ob ein Stern wie Beteigeuze bei seiner Explosion hoch energierei­che Gammastrah­len ausstrahlt. Und selbst wenn, ist er weit genug entfernt, um das Leben auf Erden nicht zu gefährden. Millionen Jahre braucht die ins All geschleude­rte Materie zu uns, und auch allfällige Nachkommen müssen bei dieser Distanz wohl nur mit winzigen Neutrinos rechnen. Das optische Spektakel ließe sich also angstfrei genießen – und die Erforschun­g der Geschichte unseres Universums käme einen Riesenschr­itt voran. Träumen ist ja erlaubt.

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