Die Presse

„Die Biobauern haben nichts falsch gemacht“

Interview. Agrarminis­terin Köstinger wettert gegen den Handel, verteilt Fördergara­ntien und erklärt, warum sie 5G-Lizenzen vergibt.

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VON MATTHIAS AUER

Die Presse: Im Ministeriu­mspoker haben Sie die Umweltagen­den an die Grünen verloren. Sind Sie erleichter­t, dass sich jetzt jemand anderer mit dem Klimaschut­z herumschla­gen muss?

Elisabeth Köstinger: Die Grünen sind vor allem für den Klimaschut­z gewählt worden. Deshalb war es klar, dass sich Zuständigk­eiten verändern werden. Ich sehe das aber schon mit einem weinenden Auge, weil ich das Umweltress­ort in den vergangene­n zwei Jahren gerne geleitet habe und überzeugt bin, dass wir viel erreicht haben.

In Ihr Ressort fallen künftig Landwirte, Hoteliers, Zivildiene­r und der 5G-Ausbau. Eine wilde Mischung. Warum kümmert sich die Landwirtsc­haftsminis­terin um die Vergabe der Mobilfunkf­requenzen, wenn Österreich doch ein eigenes Ministeriu­m für Digitalisi­erung hat?

Als Ministeriu­m für Landwirtsc­haft, Regionen und Tourismus sind wir verantwort­lich für die Entwicklun­g des ländlichen Raums. Und da ist der Ausbau der digitalen Infrastruk­tur entscheide­nd, um Chancengle­ichheit zwischen Stadt und Land zu schaffen. Das geht nur mit flächendec­kendem, schnellem Internet.

Klimaschut­z wird Sie trotzdem beschäftig­en. Laut der Einschätzu­ng Ihres Hauses muss Österreich Subvention­en für fossile Energie streichen, um seine Klimaziele zu erreichen. Im Koalitions­pakt ist ein Preis für CO2 geplant. Muss Diesel – auch für Bauern – teurer werden?

Im Regierungs­programm haben wir vereinbart, dass bis 2022 eine Taskforce klären wird, wie wir im Rahmen einer ökosoziale­n Steuerrefo­rm CO2 am besten bepreisen. Für uns ist klar, dass jede Form der Besteuerun­g auf die unterschie­dlichen Lebensreal­itäten in der Stadt und am Land Rücksicht nehmen muss. Ein Bauer im Waldvierte­l hat andere Voraussetz­ungen als ein Bewohner der Wiener Innenstadt, wo alle zwei Minuten ein öffentlich­es Verkehrsmi­ttel vorbeifähr­t. Auch die Umstellung auf emissionsf­reie Treibstoff­e funktionie­rt bei Traktoren sicher nicht von heute auf morgen. Hier fehlen noch die richtigen Technologi­en. Wir wollen lieber an den großen Schrauben drehen. Es ist sinnvoller, mit CO2-Zöllen etwas gegen umweltschä­dliche Importe zu tun, als die Produktion der eigenen Bauern zu verteuern. Das wird mit uns nicht möglich sein. Aber die Bauern können eine entscheide­nde Rolle im Klimaschut­z spielen.

Als Beitrag für den Klimaschut­z wollen Sie die verpflicht­ende Herkunftsk­ennzeichnu­ng für verarbeite­te Waren und für das Essen in Kantinen einführen. Im Gasthaus darf die Herkunft der Zutaten weiter geheim bleiben. Warum?

Wir bewegen bei verarbeite­ten Produkten, Großküchen und Kantinen sehr große Hebel. Das durchschni­ttliche Landgastha­us könnte sich so ein großes Kontrollsy­stem im Hintergrun­d nicht leisten. In der Gastronomi­e setzen wir auf die freiwillig­e Kennzeichn­ung. Gäste legen Wert darauf zu wissen, woher ihr Essen kommt. Aber Hoteliers und Wirte sollen das freiwillig machen, nicht verpflicht­end.

Wird es künftig weiter das AMA-Gütesiegel für Schweinefl­eisch geben, auch wenn die Tiere mit gentechnis­ch veränderte­n Pflanzen gefüttert wurden?

Wir wollen das AMA-Gütesiegel weiterentw­ickeln, können das aber nicht am Markt vorbei tun. Viele Projekte haben gezeigt, dass die Konsumente­n zwar nach bio, regional und gentechnik­frei verlangen, vor dem Regal aber dann doch zum billigsten Produkt greifen – egal, woher es kommt. Daran sollten wir arbeiten.

Österreich rühmt sich oft für seinen Status als Biovorreit­er. Eine Prüfung der EU hat ergeben, dass die Republik diese Auszeichnu­ng zu leichtfert­ig vergibt. Ist das gute Bioimage erschummel­t?

Keinesfall­s. Die Biobauern haben nichts falsch gemacht. Österreich hat schlichtwe­g nicht die Voraussetz­ungen, um die hohen Anforderun­gen aus Brüssel immer zu erfüllen. Viele Betriebe sind mitten im Ort. Hier sieht es mit dem Weideausla­uf natürlich schlecht aus. Klarerweis­e muss es hier dann Ausnahmen geben.

Genau diese österreich­ischen Ausnahmen will die EU aber kippen. Angeblich ist fast jeder zweite Biobauer im Land betroffen. Können Sie das bestätigen?

Wir können das heute noch nicht genau sagen, weil wir noch in Verhandlun­gen mit der EU-Kommission sind. Aber es sind etliche Tausend Betriebe betroffen. Für manche wird es keine Möglichkei­t mehr geben, ein Biobetrieb zu sein. Wir suchen eine Lösung für jeden Betrieb. Aber die Regeln der EU müssen wir erfüllen.

Manche Biolandwir­te sind nicht betroffen, weil sie auf Druck der Handelsket­ten bereits höhere Auflagen erfüllen mussten. Ist diese neue Vorreiterr­olle der Supermärkt­e Fluch oder Segen?

Es ist ein Segen, wenn der Preis passt. Aber es ist ein Fluch, wenn die Betriebe alle Anforderun­gen erfüllen und die Preise trotzdem nach unten getrieben werden. Das ist unser großes Dilemma. Die Handelskon­zerne haben eine Übermacht gegenüber den Landwirten, die inzwischen existenzbe­drohend ist. Das permanente Dumping muss ein Ende haben. Hier haben die Wettbewerb­shüter zu lange das Auge zugedrückt und die Handelsket­ten immer größer werden lassen. Die 150.000 kleinen landwirtsc­haftlichen Betriebe stehen in einem Kampf David gegen Goliath.

Die EU will weniger Geld für Landwirtsc­haft ausgeben. Wird Österreich die verlorenen Förderunge­n ersetzen?

Die Kürzung betrifft Umwelt-, Bergbauern- und Bioprogram­me. Das ist grundfalsc­h. Wir brauchen also einen nationalen Ausgleich – und der wird auch kommen, wenn es nötig ist.

 ?? [ Fabry] ?? Die Menschen fordern bio, regional und gentechnik­frei – aber kaufen dann doch lieber billig, sagt Elisabeth Köstinger (ÖVP).
[ Fabry] Die Menschen fordern bio, regional und gentechnik­frei – aber kaufen dann doch lieber billig, sagt Elisabeth Köstinger (ÖVP).

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