Die Presse

Gute Schwingung­en in Paris

Antrittsbe­such. Europamini­sterin Karoline Edtstadler fand bei einem Treffen mit ihrer französisc­hen Amtskolleg­in breite Unterstütz­ung für österreich­ische Anliegen.

-

Wenn die alte Maxime, wonach der Ton die Musik macht, auch auf die Politik zutrifft, dann war der Arbeitsbes­uch der österreich­ischen Europamini­sterin, Karoline Edtstadler (ÖVP), bei ihrer französisc­hen Kollegin Amelie´ de Montchalin in Paris am gestrigen Donnerstag eine wohltemper­ierte, dem Ohr schmeichel­nde Ouvertüre. Nach der alten, türkis-blauen Koalition, mit der sich die Zusammenar­beit „komplizier­ter“gestaltet habe, sei man froh über eine „progressiv­e und proeuropäi­sche“Regierung in Wien, sagte de Montchalin im Anschluss an das knapp einstündig­e Gespräch im französisc­hen Außenamt am Quai d’Orsay.

Allein die Tatsache, dass sich Edtstadler für ihre erste Auslandsre­ise ausgerechn­et Paris ausgesucht hatte, wurde als „starkes Signal“mit Wohlwollen quittiert: „Meine erste Reise führte nach Berlin“, sagte de Montchalin zum Vergleich. Und sie zeigte sich darüber erfreut, dass „Österreich seinen Platz wiedergefu­nden“habe. Edtstadler wiederum beschrieb Frankreich als wesentlich­en Akteur für die Weiterentw­icklung der EU, mit dem sie eine Beziehung „auf Augenhöhe“anstrebe. Ein Besuch von de Montchalin in Wien ist jedenfalls in Planung, über einen Staatsbesu­ch von Präsident Emmanuel Macron in Österreich wird ebenfalls gesprochen.

Dass die Schwingung­en zwischen Wien und Paris momentan gut sind, hat mindestens drei Gründe. Da wäre erstens die türkis-grüne Koalition, deren Zustandeko­mmen in Europa genau beobachtet wurde und die als mögliches Modell für andere Mitgliedst­aaten gilt. Faktor Nummer zwei: Da Deutschlan­d momentan vor allem mit sich selbst beschäftig­t ist, sucht Frankreich nach anderen, gerne auch kleineren Kooperatio­nspartnern. De Montchalin lobte in diesem Zusammenha­ng Österreich als wichtige Drehscheib­e zwischen Westund Osteuropa sowie dem Balkan. Abseits der Geografie sei Türkis-Grün auch aufgrund der „natürliche­n Verwandtsc­haft“in der Klimapolit­ik ein Alliierter.

Inhalte sind auch der dritte Grund, warum die Vorzeichen für eine Intensivie­rung der Zusammenar­beit günstig stehen. Die von de Montchalin angesproch­ene Umgestaltu­ng der Union ist auch ein Ziel der österreich­ischen Regierung – und zwar im Rahmen einer Änderung der EU-Verträge in Richtung mehr Subsidiari­tät. Für die französisc­he Europamini­sterin ist eine Vertragsän­derung allerdings kein Muss. Es gehe primär darum, dass die Union glaubwürdi­ger wirke und besser funktionie­re.

Eine für beide Staaten interessan­te Schnittmen­ge ergibt sich aus dem Zwischensp­iel zwischen Klimapolit­ik und dem aktuell verhandelt­en Finanzrahm­en der EU für den Zeitraum 2021 bis 2027. Ausgehend von der Weigerung einer Koalition der Nettozahle­r (der auch Österreich angehört), mehr als ein Prozent der EU-Wirtschaft­sleistung in den Haushalt fließen zu lassen, wird in Brüssel intensiv über alternativ­e Geldquelle­n nachgedach­t.

Bei dem Treffen kamen gleich vier Optionen zur Sprache: eine Steuer auf Plastikabf­älle (die unter Kroatiens Ratsvorsit­z erarbeitet werden soll), eine Digitalste­uer, eine Umleitung der Einnahmen aus dem CO2-Emissionsh­andel ins EUBudget sowie ein CO2-Zoll auf im EU-Ausland produziert­e Waren, die nicht den europäisch­en Umweltnorm­en genügen. Österreich ist laut Edtstadler für neue Finanzieru­ngsquellen offen – vorausgese­tzt, die Einnahmen fallen nicht direkt bei den Bürgern an.

Auch bei dem von Macron torpediert­en Beginn der EU-Beitrittsg­espräche mit Albanien und Nordmazedo­nien, der ein außenpolit­isches Anliegen Österreich­s ist, zeichnet sich leichte Entspannun­g ab. „Frankreich will, dass der Erweiterun­gsprozess ein Erfolg ist. Frankreich blockiert nicht“, betonte de Montchalin. Unter der Ägide des neuen EUAußenbea­uftragten, Josep Borrell, wird derzeit an einer Reform des Beitrittsp­rozesses gearbeitet, die bis zum EU-Gipfel im März ausformuli­ert und den EU-Staatsund Regierungs­chefs vorgelegt werden soll. In Wien hofft man, dass Frankreich dann seinen Widerstand aufgibt.

 ?? [ APA] ?? Europamini­sterin Karoline Edtstadler traf mit ihrer französisc­hen Amtskolleg­in Amelie´ de Montchalin in Paris zusammen.
[ APA] Europamini­sterin Karoline Edtstadler traf mit ihrer französisc­hen Amtskolleg­in Amelie´ de Montchalin in Paris zusammen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria