Die Presse

Orb´an fühlt sich von Kurz „inspiriert“

Ungarn. Ministerpr­äsident Orb´an bewundert den „Mut“zu Türkis-Grün. Für ihn wäre aber eine Koalition mit einer Ökopartei keine Option. Dafür überlegt er, ob er eine EU-Fraktion gründen soll.

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„Sebastian Kurz überrascht immer wieder“: Mit bewundernd­en Worten antwortete der ungarische Ministerpr­äsident, Viktor Orban,´ während seiner jährlichen Pressekonf­erenz in Budapest am Donnerstag auf eine Frage der „Presse“zur türkis-grünen Koalition in Wien.

Erst habe Kurz eine Koalition mit der FPÖ gewagt „und deren Zusammenbr­uch politisch überlebt“– Wahlen habe er ja souverän gewonnen. Das für sich sei schon ein Bravourstü­ck gewesen. „Und nun wagt er eine Koalition mit den Grünen.“Die „Dynamik“des Kanzlers und sein „Mut“seien „inspiriere­nd“. Kurz sei eine der „maßgeblich­en Figuren in der europäisch­en Politik“.

Es sei durchaus denkbar, dass dieses Koalitions­modell nicht nur in Österreich, sondern auch in Europa funktionie­ren könne. Auf die Frage der „Presse“, ob er sich auch in Ungarn eines Tages eine Zusammenar­beit der jetzigen Regierungs­partei, Fidesz, mit einer grünen Partei vorstellen könnte, antwortete er jedoch mit einem klaren Nein – zumindest nicht unter seiner Führung. „Es kann sein, dass eine solche Kombinatio­n eines Tages für Ungarn nötig ist. Aber das wäre dann nicht mit mir als Ministerpr­äsident.“

Im Oktober hatte der Opposition­spolitiker Gergely Karacsony,´ der sich selbst als grün bezeichnet, mit Unterstütz­ung aller Opposition­sparteien die Budapester Bürgermeis­terwahl gewonnen. Er könnte Orban´ bei den nächsten Parlaments­wahlen die Stirn bieten.

Ungarns Grüne seien „wie eine Wassermelo­ne“, sagte Orban:´ „Außen grün, innen rot“, also in ihrem Wesenskern links. Deshalb würde er in Ungarn nie eine solche Koalition führen wollen. Auf die Frage, warum seiner Meinung nach die Grünen vielerorts in Europa so erfolgreic­h seien, antwortete Orban:´ „Die Welt verändert sich, und einen Teilaspekt davon – den Klimawande­l – haben die Grünen thematisch aufgegriff­en.“Grund für ihren Erfolg sei aber auch ein Versagen der Christdemo­kraten.

Diese hätten beim Umweltschu­tz keine eigene Sicht formuliert, sondern viele Positionen und Argumente der Grünen übernommen. Umweltschu­tz als Schutz der Schöpfung sei jedoch „ureigene christdemo­kratische Überzeugun­g“, aber den Konservati­ven in Europa sei es nicht gelungen, dies überzeugen­d darzustell­en.

Damit war auch das Thema des Verbleibs der Regierungs­partei

Fidesz in der christdemo­kratischen Parteienfa­milie EVP angeschnit­ten, die die Mitgliedsc­haft von Fidesz suspendier­t hatte. In den nächsten Wochen werde sich entscheide­n, wie es weitergehe, sagte Orban.´ Nach wie vor sei der Premiermin­ister für einen Verbleib in der EVP – aber nur, wenn diese „zurückfind­et zu einer christdemo­kratischen Politik, die Grenzen, Familien sowie die nationale Identität schützt“. Von diesen Prinzipien entferne sich die EVP aber immer mehr, bemerkte der Ministerpr­äsident.

Orban´ deutete an, Fidesz werde im Fall eines Austritts nicht einfach einer anderen Fraktion beitreten – wie etwa der EKR, die von der polnischen Regierungs­partei PiS dominiert wird. Vielmehr sei es dann notwendig, „eine neue Initiative für christdemo­kratische Politik ins Leben zu rufen“.

Orban´ ist offenbar schon auf der Suche nach Verbündete­n : „Ich komme gerade aus Warschau“, sagte er. Damit drohte Orban´ indirekt der EVP, wäre doch eine solche Fraktion eine klare Konkurrenz. Vor einer endgültige­n Entscheidu­ng wolle er „nächste Woche“noch mit Bundeskanz­ler Sebastian Kurz sprechen, danach auch mit CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r. Auch ein Treffen mit EVP-Chef Donald Tusk wünscht sich Orban.´ Dafür gebe es aber noch keinen Termin.

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[ Reuters] Viktor Orban´ kritisiert die EVP und erwägt die Gründung einer neuen EU-Fraktion.

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