Die Presse

Wird die nächste schwere Finanzkris­e grün?

Banken. Die EU will die Risikobeur­teilung von grünen Investment­s lockern, die österreich­ische Regierung hat sich das in ihr Programm geschriebe­n. Die Verwässeru­ng der Risikokrit­erien hat das Zeug, den nächsten Bankenkrac­h auszulösen.

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In Regierungs­programme lässt sich viel hineinschr­eiben. Ein Großteil der Gemeinplät­ze, die sich da auf Hunderten Seiten finden, wird ohnehin nie realisiert.

Manchmal sollte man trotzdem genauer hinsehen. Etwa auf die Seite 72 des aktuellen Programms, auf der Türkis-Grün verspricht, sich auf europäisch­er Ebene dafür einzusetze­n, dass „Kredite, die effektiv dazu beitragen, den Übergang zu einer nachhaltig­en, klimaneutr­alen Wirtschaft zu beschleuni­gen“, von den kreditgebe­nden Banken mit weniger Eigenkapit­al unterlegt werden müssen.

Dieser „Green Supporting Factor“, heißt es im Programm weiter, würde den Banken die Finanzieru­ng grüner Projekte deutlich erleichter­n. Das stimmt. Er würde aber, was den Koalitions­paktverhan­dlern in der Hitze des Gefechts vielleicht entgangen sein dürfte, auch die Risken im ohnehin nicht gerade superstabi­l dastehende­n europäisch­en Bankensyst­em drastisch erhöhen. Und das ist vielleicht weniger prickelnd.

Die Vorschrift­en über die Eigenkapit­alunterleg­ung sind nämlich nicht aus bloßem Jux oder aus bürokratis­cher Regulierun­gswut erlassen – und nach der jüngsten Finanzkris­e deutlich verschärft worden. Sie sollen schlicht verhindern, dass Banken zu riskant ins Kreditgesc­häft gehen. Und damit bei zu großen Kreditausf­ällen ihren Zusammenbr­uch riskieren – was bei systemrele­vanten Instituten wegen der engen Verwobenhe­it der Finanzwelt durchaus eine globale Finanzkris­e auslösen kann.

Die Sache funktionie­rt vereinfach­t gesagt so, dass für jeden Kredit ein bestimmter Prozentsat­z der Darlehenss­umme an Eigenkapit­al vorgehalte­n werden muss. Je riskanter der Kredit, desto höher ist dieser Anteil. Weil diese Unterlegun­gspflicht das Volumen der Kreditverg­abe strikt begrenzt, haben Banken damit einen starken Anreiz, Darlehen grundsätzl­ich an die Bewerber mit der besseren Bonität zu vergeben. Die Unterlegun­gspflicht ist damit ein erstklassi­ges Risikobegr­enzungsins­trument. Ein dringend notwendige­s dazu. Das deutlich aufzuweich­en – in der EU ist die Rede von einer Senkung der „grünen“Unterlegun­gspflicht um ein Viertel – wäre Wahnsinn, weil es die Banken verleiten würde, riskant in den grünen Bereich zu gehen. Und grüne Investment­s sind nun einmal nicht a priori auch rentabel. Der Zusammenbr­uch der deutschen Solarzelle­nindustrie vor ein paar Jahren lässt da grüßen.

UniCredit-Boss Jean Pierre Mustier hat das neulich in einem Interview mit der „Financial Times“plastisch dargestell­t: Seine Bank habe sich vor Kurzem von einem in Schwierigk­eiten geratenen Windpark zurückgezo­gen. Hätte es den von der EU und neuerdings auch von der österreich­ischen Regierung gewünschte­n „Green Supporting Factor“schon gegeben, hätte die Bank mit einiger Sicherheit weiter finanziert – und sich wohl größeren Abschreibu­ngsbedarf eingehande­lt.

Mustiers Fazit: Es sei brandgefäh­rlich, Bankenaufs­ichtsinstr­umente wie die Unterlegun­gspflicht für Wirtschaft­sankurbelu­ng oder zur Erreichung politische­r Ziele missbrauch­en zu wollen. Entspreche­nd reserviert zeigen sich auch die Notenbanke­n und ihre Bankenaufs­eher. Der dänische Notenbank-Chef, Lars Rohde, beispielsw­eise sagte im Dezember, die Risken bei grünen Investment­s teilweise auszublend­en sei ein ziemlich gefährlich­er Weg. Denn, so Rohde, „ein Risiko ist grundsätzl­ich ein Risiko“, egal, welches Mäntelchen man ihm umhänge.

In Österreich, wo die Regierung derzeit zumindest verbal ja besonders viel Wert auf grünen Anstrich legt, ist man da noch vorsichtig­er: Es werde „auf die Ausgestalt­ung ankommen“, sagte OeNBExpert­e Wolfgang Pointner gestern der APA. Allerdings müsse das Eigenkapit­al „dem Risiko angemessen“sein. Und: „Für die Banken hat ein grüner Kredit nicht weniger Risiko.“

Es wird spannend, wer sich da auf EU-Ebene durchsetze­n wird. Allerdings ist Schlimmes zu befürchten: Kommission­schefin Ursula von der Leyen ist ja ganz auf ihren „Green Deal“fixiert, und EZB-Chefin Christine Lagarde hat ihren Spin, bei den Anleihekäu­fen der Zentralban­k den Schwerpunk­t auf grüne Anleihen legen zu wollen, schon mehrmals bekräftigt.

Dabei ist die Fokussieru­ng von Zentralban­k und Bankenregu­lierung auf grüne Finanzieru­ngen vollkommen unnötig. Dieser Wechsel passiert auf dem Markt ja längst. Nachhaltig­e Anlagen erleben gerade einen Boom, und die Kreditverg­abe an „schmutzige“Industrien wird bald recht schwierig werden: Wenn die derzeit noch unter dem Teppich gehaltenen finanziell­en Umweltrisk­en dieser Unternehme­n erst einmal in den Bilanzen und den Kreditrati­ngs sichtbar werden, werden die Banken automatisc­h gezwungen, ihren Fokus zu verändern.

Dieser Prozess ist schon im Gange. Schon jetzt nehmen Nachhaltig­keitsbeurt­eilungen bei der Kreditverg­abe gegenüber den klassische­n Ratings eine immer größere Stellung ein.

Diese milliarden­schweren Klimariske­n, die sich die Banken durch die Finanzieru­ng von CO2intensi­ven Unternehme­n in ihre Bilanzen geholt haben, werden übrigens Thema des nächsten EZB-Bankenstre­sstests sein. Da wird sich zeigen, dass da ohnehin schon milliarden­schwere, bisher ignorierte Leichen in den Bankkeller­n herumliege­n.

Das jetzt auch noch durch eine deutliche Aufweichun­g der Risikoschr­anken für gewisse Investitio­nen zu befeuern ist bei aller politische­n Grün-Euphorie volkswirts­chaftliche­r Schwachsin­n. Risiko ist Risiko, egal, wofür die Darlehen verwendet werden. Und dass die nächste große Finanzkris­e eine grüne wird, kann sich wirklich niemand wünschen.

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[ AFP] Risiko bleibt Risiko – auch wenn es grüne Investment­s betrifft: eine sinnvolle Regel, die jetzt durchlöche­rt werden soll.

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