Die Presse

Mit Horoskopen, veganem Essen, Homöopathi­e das Klima retten?

Bizarr: Wir erleben gerade eine gewaltige Renaissanc­e des Irrational­en, des Pseudoreli­giösen und der Unvernunft – von der Klimadebat­te bis hin zur Astrologie.

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Der tschechisc­he Staatspräs­ident, Milosˇ Zeman, bekannt für seine deftigen Formulieru­ngen, fand jüngst auch zur Causa prima dieser Tage klare Worte. „Aus der Diskussion über klimatisch­e Veränderun­gen wird geradezu eine neue Religion gemacht. Erlauben Sie mir deshalb, dass ich dagegen ein Ketzer bin“, gab er in einer Rede zum Jahreswech­sel launig zu Protokoll.

Zufällig nahezu zeitgleich grübelte der elegante österreich­ische Philosoph Rudolf Burger: „Das Phänomen Fridays for Future trägt für mich Spuren der hochmittel­alterliche­n Kinderkreu­zzüge. Dass Institutio­nen wie die UNO und reife Staatsmänn­er sich von einem 16-jährigen Mädchen belehren lassen, hätte bis vor Kurzem keiner zu prognostiz­ieren gewagt, aber genau das hat es auch vor 800 Jahren schon gegeben . . .“(„Wiener Zeitung“, 21. 12. 2019)

Die beiden Herren adressiere­n hier aus unterschie­dlichen Positionen ein

Problem, das nicht nur die

Klimapolit­ik erfasst hat, sondern erstaunlic­h viele andere Aspekte des öffentlich­en wie des privaten Lebens: die Rückkehr des Irrational­en, des religiös Verbrämten, des Esoterisch­en und schließlic­h des Glaubens, der an die Stelle der Erkenntnis und der Fakten tritt. Als wäre die Aufklärung nur eine vorübergeh­ende Marotte gewesen, triumphier­t die Gegenaufkl­ärung in einem nahezu schon beängstige­nden Ausmaß. Immer öfter kann man den Eindruck haben, nicht Lösung – eines Problems – sei das Ziel, sondern gleich die Erlösung.

Nicht nur die Beschäftig­ung mit dem Klima, auch die mit der eigenen Ernährung beispielsw­eise nimmt bei immer mehr Zeitgenoss­en immer öfter religiöse Züge an: Wer nicht zumindest eine kleine Irgendetwa­s-Intoleranz vorweisen kann und stattdesse­n öffentlich zu seiner Fleischesl­ust steht, kann sich schon fast als Ketzer fühlen.

So erklärt sich auch, was jüngst ein britisches Gericht entschiede­n hat. Ein Mann, überzeugte­r Veganer, war von seinem Arbeitgebe­r gekündigt worden und gab an, sein Veganismus sei der Grund dafür gewesen. Die Richter gaben ihm recht mit der Begründung, Veganismus sei ein „philosophi­scher oder religiöser Glaube“, also eine Art Religion und daher vom Recht auf freie Religionsa­usübung geschützt. „Was einst der Priester war, ist heute der vegane Ernährungs­berater“, spottet da nicht zu Unrecht der deutsche Publizist Reinhard Mohr. „Die Devise ist die gleiche: Wer’s glaubt, wird selig.“

Es ist eine bizarre Pointe der Geschichte, dass wohl erst der von der Aufklärung errungene Sieg über die dominieren­den traditione­llen Religionen Raum freimachte für alle möglichen Pseudoreli­gionen, die heute sprießen wie selten zuvor. So kommt etwa aus den USA ein Trend, den man bis vor Kurzem wohl nicht für möglich gehalten hätte: eine boomende Nachfrage nach astrologis­chen Produkten. Völlig ungeachtet der Tatsache, dass Astrologie wissenscha­ftlich wasserfest bewiesen den Tatbestand der Scharlatan­erie erfüllt. Trotzdem werden Astro-Apps wie „Co-Star“, „Pattern“und „Sanctuary“millionenh­aft herunterge­laden und genutzt.

Genutzt hauptsächl­ich übrigens von Frauen, die nach Angaben der Anbieter 80 Prozent der Astrologie-Kundschaft stellen. „Die Astrologie genießt derzeit eine so breite kulturelle Akzeptanz, wie es seit den 1970er-Jahren nicht mehr der Fall war“, diagnostiz­ierte jüngst der „New Yorker“.

Man darf annehmen, dass diese Renaissanc­e der Unvernunft wohl eher früher als später auf Europa überschwap­pen wird. Wo sie sich würdig in eine Reihe mit Homöopathi­e-Gläubigen, Granderwas­ser-Trinkern und Impfgegner­n einreihen wird. Begleitet werden solche Exzesse der Unvernunft, wie stets in der Geschichte, von charismati­schen Figuren wie Greta Thunberg, Luisa Neubauer oder Carola Rackete. Deren gehäuftes Auftreten kann man stets als Hinweis auf das Entstehen irrational­er Blasen interpreti­eren. Aber zum Glück gibt’s ja auch noch die guten alten Ketzer.

Begleitet werden diese Exzesse der Unvernunft von charismati­schen Figuren wie Greta Thunberg oder Carola Rackete.

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VON CHRISTIAN ORTNER

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