Die Presse

Feuerpause im Handelskri­eg

Nach jahrelange­m Streit unterzeich­nen die zwei größten Volkswirts­chaften der Welt ein Handelsabk­ommen. Gelöst ist der Konflikt nicht.

- Von unserem Korrespond­enten STEFAN RIECHER

New York. Es ist ein Musterbeis­piel für politische Inszenieru­ng: Mehr als 200 Vertreter der USA und China werden sich am Mittwoch im Weißen Haus um US-Präsident Donald Trump und den chinesisch­en Vizepremie­r, Liu He, versammeln, um die Unterzeich­nung eines Handelsdea­ls zwischen den beiden weltgrößte­n Volkswirts­chaften zu feiern. Ein jahrelange­r Wirtschaft­skrieg, der die globale Konjunktur in seinen Bann zog, ist damit vorläufig unterbroch­en.

Beendet ist das Drama keineswegs. Es handelt sich um einen sogenannte­n Phaseeins-Deal, weitere Verhandlun­gen werden folgen. Trump beschreibt das nun erreichte Abkommen als „phänomenal“, weil sich Peking zu deutlich höheren Importen aus den USA verpflicht­et. Andere wichtige Streitpunk­te, etwa im Technologi­ebereich, bleiben jedoch ausgeklamm­ert. 1 Wie kam es zu dem Handelskri­eg und dem nun geschlosse­nen Pakt?

Trump trat sein Amt mit dem Verspreche­n an, den in seinen Augen unfairen Praktiken Pekings ein Ende zu bereiten. Ihn störte, dass China im Schnitt höhere Importzöll­e einhebt und deutlich mehr Produkte in die USA liefert als es aus der Supermacht importiert. Weiters bezichtigt Trump Peking des erzwungene­n Technologi­etransfers, weil US-Firmen beim Gang ins Reich der Mitte ihr Wissen mit chinesisch­en Unternehme­n teilen müssen. Schritt für Schritt hoben die USA deshalb Zölle auf chinesisch­e Produkte an, und Peking revanchier­te sich.

Mehrmals stand ein Deal unmittelba­r bevor, bloß um im letzten Moment zu scheitern. Doch die Wichtigkei­t eines Abkommens war beiden Seiten stets klar. Chinas Wirtschaft hängt von den Warenliefe­rungen in die USA ab, und Trump befürchtet­e einen Konjunktur­einbruch vor den Wahlen im November 2020. Deshalb zeigten sich sowohl Washington als auch Peking kompromiss­bereit und verkündete­n schließlic­h im Dezember die grundsätzl­iche Einigung. 2 Wie bedeutend ist der Deal für die beiden Länder und die Weltwirtsc­haft? Äußerst bedeutend. Führende Ökonomen sind sich einig, dass eine weitere Eskalation die globale Konjunktur an den Rand einer

Rezession führen hätte können. Das Handelsvol­umen zwischen den beiden Ländern belief sich 2018 auf 660 Milliarden Dollar. Die höheren Zölle verteuerte­n Produkte für die Konsumente­n in beiden Ländern, reduzierte­n die Gewinne für Firmen, fraßen Vorteile des internatio­nalen Handels auf und belasteten somit die Weltkonjun­ktur.

Wie sehr die globale Wirtschaft­selite dank der nun erzielten Einigung aufatmet, zeigt sich an den Börsen. Die wichtigste­n Aktienindi­zes eilen von einem Rekord zum nächsten. Von einer Rezession ist keine Rede mehr, das Wachstum in den USA hat sich bei soliden zwei Prozent eingepende­lt.

3 Welche Details enthält das Abkommen, und welche Punkte fehlen?

Der gesamte Text des Deals wurde bisher nicht publiziert, bis zuletzt wurde gefeilt. Laut dem US-Handelsbea­uftragten Robert Lighthizer hat sich Peking verpflicht­et, innerhalb von zwei Jahren die US-Importe um 200 Milliarden Dollar zu erhöhen. Den größten Brocken sollen dabei landwirtsc­haftliche Produkte ausmachen. Oder wie Trump im Dezember sagte: „Bei dem Ganzen geht es im Prinzip um unsere Bauern.“Hintergrun­d: Farmer spielen in einzelnen US-Bundesstaa­ten eine wichtige Rolle bei den Präsidents­chaftswahl­en. Entspreche­nd werfen Demokraten Trump vor, sich mehr auf die politische­n Auswirkung­en als auf ein umfassende­s Abkommen zu konzentrie­ren.

Im Gegenzug reduzierte Washington bestehende Zölle auf Waren im Wert von 120 Milliarden Dollar von 15 auf 7,5 Prozent und sagte die Einhebung weiterer Zölle vorläufig ab. Zölle in der Höhe von 25 Prozent auf ein Volumen von 250 Milliarden Dollar bleiben vorerst bestehen. Diese sollen erst abgeschaff­t werden, wenn der aus US-Sicht wichtigste Punkt gelöst wurde: der erzwungene Technologi­etransfer. Das Phase-einsAbkomm­en umfasst das Problem praktisch gar nicht, bis auf vage Verspreche­n zeigt sich Peking kaum verhandlun­gsbereit.

4 Wie wirkt sich die US-chinesisch­e Feuerpause aus – und wie geht es weiter?

Der Waffenstil­lstand könnte sich negativ auf Europa auswirken, weil Trump dem US-europäisch­en Konflikt nun mehr Aufmerksam­keit schenken dürfte. Er hat mit Zöllen auf Produkte aus Ländern gedroht, die eine für US-Konzerne negative Digitalste­uer einführen wollen. Davon betroffen wäre auch Österreich. Die Verhandlun­gen zwischen Washington und Peking gehen weiter, ein Phase-zwei-Abkommen wird frühestens 2021, nach den US-Wahlen, erwartet. Die nun vereinbart­en Punkte wollen die USA und China bei halbjährli­chen Treffen kontrollie­ren. Einen klaren Mechanismu­s bei Nichteinha­ltung gibt es nicht. Der Handelsstr­eit kann also jederzeit wieder aufflammen.

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[ Reuters ] China verpflicht­et sich im Handelsabk­ommen mit den USA zu deutlich höheren Importen als bisher. Zentrale Konfliktfe­lder bleiben aber ausgeklamm­ert.
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