Feuerpause im Handelskrieg
Nach jahrelangem Streit unterzeichnen die zwei größten Volkswirtschaften der Welt ein Handelsabkommen. Gelöst ist der Konflikt nicht.
New York. Es ist ein Musterbeispiel für politische Inszenierung: Mehr als 200 Vertreter der USA und China werden sich am Mittwoch im Weißen Haus um US-Präsident Donald Trump und den chinesischen Vizepremier, Liu He, versammeln, um die Unterzeichnung eines Handelsdeals zwischen den beiden weltgrößten Volkswirtschaften zu feiern. Ein jahrelanger Wirtschaftskrieg, der die globale Konjunktur in seinen Bann zog, ist damit vorläufig unterbrochen.
Beendet ist das Drama keineswegs. Es handelt sich um einen sogenannten Phaseeins-Deal, weitere Verhandlungen werden folgen. Trump beschreibt das nun erreichte Abkommen als „phänomenal“, weil sich Peking zu deutlich höheren Importen aus den USA verpflichtet. Andere wichtige Streitpunkte, etwa im Technologiebereich, bleiben jedoch ausgeklammert. 1 Wie kam es zu dem Handelskrieg und dem nun geschlossenen Pakt?
Trump trat sein Amt mit dem Versprechen an, den in seinen Augen unfairen Praktiken Pekings ein Ende zu bereiten. Ihn störte, dass China im Schnitt höhere Importzölle einhebt und deutlich mehr Produkte in die USA liefert als es aus der Supermacht importiert. Weiters bezichtigt Trump Peking des erzwungenen Technologietransfers, weil US-Firmen beim Gang ins Reich der Mitte ihr Wissen mit chinesischen Unternehmen teilen müssen. Schritt für Schritt hoben die USA deshalb Zölle auf chinesische Produkte an, und Peking revanchierte sich.
Mehrmals stand ein Deal unmittelbar bevor, bloß um im letzten Moment zu scheitern. Doch die Wichtigkeit eines Abkommens war beiden Seiten stets klar. Chinas Wirtschaft hängt von den Warenlieferungen in die USA ab, und Trump befürchtete einen Konjunktureinbruch vor den Wahlen im November 2020. Deshalb zeigten sich sowohl Washington als auch Peking kompromissbereit und verkündeten schließlich im Dezember die grundsätzliche Einigung. 2 Wie bedeutend ist der Deal für die beiden Länder und die Weltwirtschaft? Äußerst bedeutend. Führende Ökonomen sind sich einig, dass eine weitere Eskalation die globale Konjunktur an den Rand einer
Rezession führen hätte können. Das Handelsvolumen zwischen den beiden Ländern belief sich 2018 auf 660 Milliarden Dollar. Die höheren Zölle verteuerten Produkte für die Konsumenten in beiden Ländern, reduzierten die Gewinne für Firmen, fraßen Vorteile des internationalen Handels auf und belasteten somit die Weltkonjunktur.
Wie sehr die globale Wirtschaftselite dank der nun erzielten Einigung aufatmet, zeigt sich an den Börsen. Die wichtigsten Aktienindizes eilen von einem Rekord zum nächsten. Von einer Rezession ist keine Rede mehr, das Wachstum in den USA hat sich bei soliden zwei Prozent eingependelt.
3 Welche Details enthält das Abkommen, und welche Punkte fehlen?
Der gesamte Text des Deals wurde bisher nicht publiziert, bis zuletzt wurde gefeilt. Laut dem US-Handelsbeauftragten Robert Lighthizer hat sich Peking verpflichtet, innerhalb von zwei Jahren die US-Importe um 200 Milliarden Dollar zu erhöhen. Den größten Brocken sollen dabei landwirtschaftliche Produkte ausmachen. Oder wie Trump im Dezember sagte: „Bei dem Ganzen geht es im Prinzip um unsere Bauern.“Hintergrund: Farmer spielen in einzelnen US-Bundesstaaten eine wichtige Rolle bei den Präsidentschaftswahlen. Entsprechend werfen Demokraten Trump vor, sich mehr auf die politischen Auswirkungen als auf ein umfassendes Abkommen zu konzentrieren.
Im Gegenzug reduzierte Washington bestehende Zölle auf Waren im Wert von 120 Milliarden Dollar von 15 auf 7,5 Prozent und sagte die Einhebung weiterer Zölle vorläufig ab. Zölle in der Höhe von 25 Prozent auf ein Volumen von 250 Milliarden Dollar bleiben vorerst bestehen. Diese sollen erst abgeschafft werden, wenn der aus US-Sicht wichtigste Punkt gelöst wurde: der erzwungene Technologietransfer. Das Phase-einsAbkommen umfasst das Problem praktisch gar nicht, bis auf vage Versprechen zeigt sich Peking kaum verhandlungsbereit.
4 Wie wirkt sich die US-chinesische Feuerpause aus – und wie geht es weiter?
Der Waffenstillstand könnte sich negativ auf Europa auswirken, weil Trump dem US-europäischen Konflikt nun mehr Aufmerksamkeit schenken dürfte. Er hat mit Zöllen auf Produkte aus Ländern gedroht, die eine für US-Konzerne negative Digitalsteuer einführen wollen. Davon betroffen wäre auch Österreich. Die Verhandlungen zwischen Washington und Peking gehen weiter, ein Phase-zwei-Abkommen wird frühestens 2021, nach den US-Wahlen, erwartet. Die nun vereinbarten Punkte wollen die USA und China bei halbjährlichen Treffen kontrollieren. Einen klaren Mechanismus bei Nichteinhaltung gibt es nicht. Der Handelsstreit kann also jederzeit wieder aufflammen.