Ein Wahlergebnis, das Pekings Kommunisten gewaltig stinkt
Hongkong und zuletzt Taiwan haben gezeigt, dass sie nichts vom alleinigen Machtanspruch der KP Chinas halten. Aber Xi Jinping hält am harten Kurs fest.
Chinas kommunistische Machthaber reagierten programmgemäß: „Diejenigen, die das Land spalten wollen, sind dazu verdammt, für 10.000 Jahre ihren Gestank zu hinterlassen“, kommentierte der chinesische Außenminister, Wang Yi, das Ergebnis der Wahlen in Taiwan vom Wochenende. Die Nachrichtenagentur Xinhua bezeichnete das Ergebnis als „Zufallstreffer“und „offensichtlich nicht normal“, Taiwans Angliederung an das Festland könne von niemanden aufgehalten werden. Und der Ex-Diplomat Gao Zhikai kommentierte: „Es ist nicht die Sache der 23 Millionen Einwohner Taiwans, den Status der Insel selbst zu entscheiden.“
Die wütenden und rüden Reaktionen von KP-Funktionären zeigen, wie sehr ihnen der Wahlausgang auf der Insel in die Knochen gefahren ist. Was hatten sie nicht alles über Druckausübung, wirtschaftliche Anreize, offene und versteckte Interventionen versucht, um der China-freundlichen Kuomintang-Partei zum Sieg bei den Wahlen am 11. Jänner zu verhelfen. Mit dem Ergebnis, dass Amtsinhaberin Tsai Ing-wen mit einem Rekordergebnis von 57,1 Prozent der Wählerstimmen und einem Vorsprung von 2,6 Millionen Stimmen auf den Kuomintang-Kandidaten, Han Kuo-yu, wiedergewählt wurde.
Peking hatte zwar insgeheim wohl damit rechnen können, dass das Präsidentschaftsrennen in Taiwan nicht zu gewinnen war. So hoffte man, dass wenigstens die absolute Mehrheit von Tsai Ing-wens Demokratischer Fortschrittspartei im Parlament gebrochen würde. Auch das eine Fehlannahme: Die Fortschrittspartei erreichte 61 der 113 Parlamentssitze. Der Wahltag war für die KP-Machthaber also eine Niederlage auf der ganzen Linie.
Der weitgehende Abbruch des Dialogs mit den Regierenden in Taipeh; Pekings unermüdliche Anstrengungen, Taiwan weltweit zu isolieren und der Inselrepublik mittels finanzieller Köder auch die letzten verbliebenen diplomatischen Partner abspenstig zu machen; die Beschränkung des touristischen Besucherstroms; permanente militärische Drohgebärden in der Straße von Taiwan sowie geheimdienstliche Einflussoperationen im öffentlichen Bereich: All das hat nicht gefruchtet. Und dann kamen auch noch die monatelangen Unruhen in Hongkong, die aller Welt vor Augen führten, was Peking unter der Formel „Ein Land, zwei Systeme“tatsächlich versteht: Dass alle und alles nach der Pfeife der chinesischen Kommunisten zu tanzen haben! Letztlich widerspiegeln auch die eingangs zitierten Reaktionen aus der Volksrepublik diese Haltung. Souveränität ist, wie sie Chinas KP definiert!
Aber weder in Hongkong noch in Taiwan findet sich eine Mehrheit für den alleinigen Machtanspruch der Kommunisten. Es ist auch immer wieder darauf hinzuweisen, dass Taiwan niemals ein Teil der Volksrepublik China war, sondern sich aus eigenen Stücken von einer Ein-Mann-Diktatur zu einer bestens funktionierenden Demokratie in Ostasien entwickelte. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung Taiwans betrachtet die ständigen Interventionen Pekings als Angriff auf die Würde und die nationale Identität.
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or allem Taiwans junge Wähler haben deshalb in Scharen für Tsai Ingwen gestimmt. Laut jüngsten Umfragen sind inzwischen 73 Prozent der Inselbewohner gegen eine Vereinigung mit dem Festland – unter den 20- bis 34-Jährigen sind sogar 93 Prozent dagegen.
Nichts deutet unter der Herrschaft Xi Jinpings derzeit darauf hin, dass die Rückschläge in Hongkong und die Niederlage in Taiwan die Führung in Peking dazu bringen könnten, ihren bisherigen harten Kurs zu überdenken. Im Gegenteil: Die Entsendung des kommunistischen Scharfmachers Luo Huining nach Hongkong, um dort das Verbindungsbüro – praktisch die Pekinger Befehlszentrale in der Sonderverwaltungszone – zu leiten, zeigt, dass die Schrauben im Umgang mit den Demokratieaktivisten fester angezogen werden sollen. Und auch für Tsai Ing-wen wird es ungemütlich bleiben. Umso mehr verdiente sie internationale Solidarität in ihrem Abwehrkampf gegen Pekings unerwünschte Einverleibungsversuche.