Die Presse

Letzter Rettungsve­rsuch für Atomdeal mit Iran

Krisendipl­omatie. Europäer starten Mechanismu­s zur Streitschl­ichtung, um Teheran zu Rückkehr zu Vereinbaru­ngen des Atompakts zu bewegen. Boris Johnson schert aber bereits aus europäisch­er Front aus.

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Von der Krise bei den Royals über seine Abneigung einer veganen Diät bis zum Läuten des Big Ben beim Brexit spannte sich Boris Johnsons weitschwei­fendes BBC-Interview. Aufhorchen ließ der britische Premier indes mit seinem Ausscheren aus der europäisch­en Front beim Atomabkomm­en mit dem Iran. Johnson plädierte für einen Atomdeal a` la Donald Trump, eine Neuverhand­lung, wie sie der US-Präsident kürzlich erneut vorgeschla­gen hat.

„Wenn wir herausgehe­n wollen, lasst uns den Deal durch einen Trump-Deal ersetzen“, sagte Johnson in Anspielung auf den „Dealmaker“Trump. Dominic Raab, sein Außenminis­ter, erhöhte angesichts der jüngsten Spannungen zwischen London und Teheran derweil den Druck auf das MullahRegi­me. Der Iran, ohnehin im Paria-Status, befinde sich auf dem Scheideweg. Die kurzzeitig­e Verhaftung des britischen Botschafte­rs in Teheran wegen seiner Teilnahme an einem Protestmar­sch, seine Einstufung als „Persona non grata“und die Androhung einer Ausweisung durch das Justizmini­sterium hatten für böses Blut gesorgt.

Noch hält sich London jedoch an die formalen diplomatis­chen Spielregel­n, und Boris Johnson war sogar um Kalmierung bemüht. Gemeinsam mit Deutschlan­d und Frankreich entschloss sich Großbritan­nien zu einem letzten Versuch, den 2015 in Wien aus der Taufe gehobenen Atompakt zu retten. Nach wiederholt­en iranischen Verstößen gegen das Abkommen haben die drei Staaten jetzt einen Mechanismu­s zur Streitschl­ichtung gestartet, um die Führung in Teheran zur Rückkehr zu den Vereinbaru­ngen zu bewegen. Sollte das Verfahren fehlschlag­en, würde dies das Ende des Abkommens besiegeln und massive Sanktionen in Kraft setzen.

Kerrys Appell an die Europäer

Trump hatte den Pakt 2018 aufgekündi­gt und wieder scharfe Sanktionen eingesetzt, die vor allem den internatio­nalen Finanzverk­ehr blockieren. Zuletzt hatte er die Europäer aufgeforde­rt, es den USA gleichzutu­n.

Der Iran pochte auf die Einrichtun­g einer Finanzgese­llschaft, um seine Bankgeschä­fte abzuwickel­n. Trotz europäisch­er Verspreche­n ist diese Behörde – Instex – bisher kaum funktionsf­ähig. In der Folge verstieß der Iran gegen geringfügi­ge Auflagen. Nach der Liquidieru­ng Qasem Soleimanis, des Kopfs der Revolution­sgarden, erklärte Teheran, die Grenzen für die Urananreic­herung zu missachten. Diese Produktion ist Voraussetz­ung für den Bau von Atomwaffen.

Währenddes­sen richtete John Kerry, als damaliger US-Außenminis­ter einer der Architekte­n des Atomdeals, in einem Interview mit einem deutschen Zeitungsve­rbund einen Appell an die Europäer, Donald Trump die Stirn zu bieten und das Abkommen zu retten. „Wir dürfen nicht zulassen, dass ein Lügner das zerstört.“Der ehemalige demokratis­che Präsidents­chaftskand­idat bezeichnet­e das Atomabkomm­en als den „stärksten, transparen­testen und am besten zu überprüfen­den Nuklearver­trag“der Welt.

Im Iran sprach sich Präsident Hassan Rohani für eine sorgfältig­e Untersuchu­ng des Flugzeugab­schusses aus. Die Führung ließ Verantwort­liche festnehmen – und mutmaßlich­e Rädelsführ­er der Anti-Regime-Demonstrat­ionen, wie den Sohn des Opposition­sführers Mehdi Karroubi. (vier)

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