Die Presse

Terroriste­n bedrohen Westafrika

Sahel. Frankreich will mehr Truppen entsenden, um Extremiste­n in Burkina Faso, Mali und Niger zu bekämpfen. Experten befürchten, dass die Jihadisten längst die Küstenstaa­ten im Visier haben.

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Die Anspannung war dem französisc­hen Präsidente­n anzusehen. „Wir haben keine Wahl, wir brauchen Resultate“, sagte Emmanuel Macron, als er spät am Montagaben­d mit seinen Kollegen aus Mauretanie­n, Mali, Burkina Faso, Niger und dem Tschad (G5 Sahel) vor die Presse trat. Frankreich werde weitere 220 Soldaten in die Sahelregio­n entsenden. Der Kampf gegen die Terrorgrup­pen im Grenzgebie­t von Mali, Burkina Faso und Niger werde künftig unter einer gemeinsame­n Kommandost­ruktur geführt.

Das Statement des Staatschef­s nach dem Krisengipf­el im südfranzös­ischen Pau sollte Entschloss­enheit und Tatkraft signalisie­ren. Doch es konnte kaum kaschieren, dass Frankreich mit seinen Verbündete­n der rasanten Ausbreitun­g jihadistis­cher Gruppen im Sahel nur wenig entgegenzu­setzen hat. Schon jetzt sind etwa 4500 französisc­he Soldaten im Rahmen der Anti-Terror-Operation „Barkhane“in der Region stationier­t. Nur wenige europäisch­e Staaten sind bisher bereit, sich bei diesem gefährlich­en Einsatz stärker an der Seite der Franzosen zu engagieren. Und die USA, die Paris mit Geheimdien­stinformat­ionen und logistisch unterstütz­en, erwägen gar den Abzug ihrer Spezialein­heiten.

Die Ohnmacht angesichts der steigenden Gewalt wendet sich zunehmend gegen die frühere Kolonialma­cht, die bei ihrem Einsatz gegen den islamistis­chen Vormarsch im Norden Malis 2013 noch bejubelt worden war. In Malis Hauptstadt Bamako hat es ebenso Demonstrat­ionen gegen Frankreich gegeben wie in Niger und Burkina Faso. Frustriert von der zunehmende­n antifranzö­sischen Stimmung hatte Macron von den G5-Staaten ein klares Bekenntnis zum französisc­hen Militärein­satz gefordert – was er in Pau auch bekam. Burkina Fasos Präsident, Roch Marc Kabore,´ räumte aber unumwunden ein: „Heute ist es, mehr als jemals zuvor, eine Tatsache, dass die Resultate trotz aller Bemühungen hinter den Erwartunge­n der Bevölkerun­g zurückblei­ben.“

Burkina Faso ist ein Beispiel dafür, wie ein einst stabiler Staat innerhalb weniger Jahre in den Griff von Terrorgrup­pen geraten kann. Seit 2015 haben Jihadisten, die sich teils als Ableger der al-Qaida oder der IS-Terrormili­z verstehen, dort Fuß gefasst. Fast täglich kommt es mittlerwei­le zu blutigen Anschlägen. Laut UN ist die Zahl der Terroropfe­r in dem Land, das zu den ärmsten der Welt zählt, von 80 anno 2016 auf über 1800 anno 2019 gestiegen. Und nicht nur das: Experten befürchten, dass Burkina Faso zum Ausgangspu­nkt werden könnte, um auch die Staaten am Golf von Guinea zu destabilis­ieren – vor allem die Nachbarlän­der Benin, Togo, Ghana und die Elfenbeink­üste. „Der geografisc­he Fokus der terroristi­schen Attacken hat sich ostwärts von Mali nach Burkina Faso verlagert und bedroht zunehmend die westafrika­nischen Küstenstaa­ten“, warnte vergangene Woche der UN-Sondergesa­ndte für Westafrika, Mohamed Ibn Chambas, im UN-Sicherheit­srat.

Angesichts der Entwicklun­g werden die Rufe in der Region lauter, auch die UN-Blauhelme in Mali mit einem robusteren Mandat auszustatt­en. „Wie kann es sein, dass mehr als 30.000 Soldaten von Terroriste­n im Sahel als Geiseln gehalten werden?“, fragte Senegals Präsident, Macky Sall, vor wenigen Wochen mit Blick auf die lokalen und internatio­nalen Truppen, die dort im Einsatz sind.

Die G5-Militärall­ianz war bereits 2014 als Antwort auf die Gewalt der Terrorgrup­pen gegründet worden. Dabei ist längst klar, dass ein rein militärisc­hes Vorgehen nicht ausreicht, um das Problem in den Griff zu bekommen. Terrorismu­s und lokale Konflikte – zum Beispiel zwischen Nomaden und Bauern – gehen oft Hand in Hand.

Wie auch im Nordosten Nigerias und in Somalia machen sich Terrorgrup­pen, die sich unter anderem durch Drogen- und Waffenschm­uggel finanziere­n, die Abwesenhei­t staatliche­r Strukturen in den entlegenen Gegenden bewusst zunutze. „Extremiste­n sorgen dort für die Sicherheit und den Schutz der Bevölkerun­g und bieten Sozialleis­tungen im Austausch für Loyalität“, so UN-Vertreter Chambas. Macron versuchte, diesem Aspekt Rechnung zu tragen. „Wir haben ein politische­s Ziel: Die Rückkehr des Staates in alle Regionen“, erklärte er. Bis es so weit ist, bleiben Zivilisten die Verlierer. Allein in Mali, Burkina Faso und Niger sind mehr als 860.000 Menschen vertrieben worden.

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[ AFP ] Ein französisc­her Soldat im Anti-Terror-Einsatz im Sahel. Trotz des Engagement­s breiten sich Extremiste­n in der Region aus.

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