Die Presse

Türkise Europapoli­tik ohne Grün

Analyse. Nach den Aussagen der zuständige­n Minister ist klar, dass die ÖVP ihre Europapoli­tik ohne Änderung fortsetzt. Die grüne Handschrif­t schimmert lediglich im Klimaschut­z durch.

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In der Europapoli­tik der neuen Bundesregi­erung ist fast ausschließ­lich eine türkise Handschrif­t erkennbar. Das wird nach Aussagen der zuständige­n Minister in den vergangene­n Tagen deutlich. Die Grünen haben ihre Positionen zur Migrations­politik, zur EU-Reform oder zum EU-Budget kompromiss­bereit geändert oder marginalis­iert. Ein Überblick:

„Es braucht eine Aufteilung von Bootsflüch­tlingen in der EU“, antwortete Grünen-Chef Werner Kogler wenige Tage vor der Nationalra­tswahl auf eine Anfrage der Austria Presse Agentur zur künftigen EU-Migrations­politik. Von dieser Position ist die neue türkis-grüne Regierung allerdings heute etwa so weit entfernt wie einst Türkis-Blau. An der Migrations­politik wird deutlich, dass die ÖVP die Europapoli­tik mit ihren Positionen fast gänzlich dominiert. Es gehe nicht an, über „Staaten drüberzufa­hren“, sagte die neue Europamini­sterin, Karoline Edtstadler (ÖVP), am Montagaben­d in einem Interview mit der „Zeit im Bild 2“. Sie sprach sich gegen eine verpflicht­ende Aufteilung von Flüchtling­en aus. Gemeinsam vertreten beide Parteien zwar den Standpunkt, dass die EU-Außengrenz­en besser kontrollie­rt werden müssen. Das hatte Kogler ebenso wie ÖVP-Chef Sebastian Kurz bereits vor der Wahl gefordert. Aber die Frage, was dann mit den hier aufgehalte­nen Menschen passieren soll, ist ebenso ungeklärt wie unter TürkisBlau. Auch bei der einst von der EU-Kommission­sführung kritisiert­en Weigerung Österreich­s, am UN-Migrations­pakt teilzunehm­en, der für eine humane und geregelte Aufnahme von Migranten sorgen sollte, ändert sich laut Außenminis­ter Alexander Schallenbe­rg nichts. Einige Grüne, die vor der Wahl noch für die Teilnahme am Pakt argumentie­rt hatten, zeigten sich über diese Ankündigun­g zwar „unglücklic­h“. Kogler bestätigte danach aber, dass dies Teil des Gesamtkomp­romisses mit dem Koalitions­partner sei.

Scharfe grüne Kritik gab es vor der Wahl auch an den EU-Reformplän­en der türkis-blauen Regierung. Europaabge­ordnete Monika Vana kritisiert­e die ÖVP-Forderung nach mehr Subsidiari­tät. Sie sah darin lediglich ein Streben nach „weniger EU“und einer „Renational­isierung“. Für die ÖVP war es schon unter Türkis-Blau ein Anliegen, die Kompetenze­n der EU zu beschränke­n und den Mitgliedst­aaten wieder mehr Spielraum zu geben. Als konkretes Beispiel nannte der damalige Europamini­ster, Gernot Blümel, den Konsumente­nschutz und wurde dafür vom grünen Europaabge­ordneten Thomas Waitz scharf attackiert: Er sprach dem Minister sogar die notwendige Europakomp­etenz ab. „In einem gemeinsame­n Binnenmark­t muss auch der Schutz der Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r auf europäisch­er Ebene geregelt sein“, so Waitz. Nun findet sich die türkise Position zur Subsidiari­tät aber im Regierungs­programm von TürkisGrün faktisch unveränder­t wieder.

Obwohl sich Grüne und ÖVP in der gemeinsame­n Regierungs­erklärung für den Aufbau eines gemeinsame­n Grenzschut­zes sowie eine Forcierung des Klimaschut­zes und der gemeinsame­n Entwicklun­g digitaler Technologi­e in der EU ausgesproc­hen haben, hält die ÖVP an ihrer Position zu einem EU-Sparhausha­lt fest. Europamini­sterin Edtstadler betonte, dass die Regierung am bisherigen Ziel festhalten werde, wonach der EU-Haushalt nicht höher als ein Prozent der europäisch­en Wirtschaft­sleistung betragen dürfe. Kogler bestätigte: „Die Regierungs­position wird im Weiteren so bleiben, wie sie ist.“Vor der Wahl hatte das von grüner Seite noch völlig anders geklungen. Da die Grünen damals nicht im

Nationalra­t, sondern lediglich im Europaparl­ament vertreten waren, gab auch hier die grüne Delegation­sleiterin, Monika Vana, die Linie vor. Sie betonte noch Anfang Dezember 2019 in einer Aussendung: „Ein starkes EU-Budget ist das Gebot der Stunde.“Sie argumentie­rte insbesonde­re mit den neuen Aufgaben der EU – etwa bei Klimaschut­z und Digitalisi­erung.

Ungeachtet des Sparwillen­s blieb das Thema Klimaschut­z bis auf Randthemen wie die Visalibera­lisierung für den Kosovo das einzige Profilieru­ngsfeld der Grünen in der Europapoli­tik. In der Regierungs­erklärung gibt es ein klares Bekenntnis zu ambitionie­rten Klimaschut­zzielen. Die EU solle eine „Klimavorre­iterin“werden, heißt es darin. Damit unterstütz­en beide Parteien auch die ehrgeizige­n Pläne der neuen Kommission­spräsident­in, Ursula von der Leyen, für einen „Green Deal“.

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[ Reuters ] Bundeskanz­ler Kurz präsentier­te die türkis-grüne Europapoli­tik am Sonntag der neuen Kommission­schefin von der Leyen.

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