Die Presse

Versiegelu­ng: Wie Gemeinden Böden „g’scheit“nutzen

Umwelt. Das Problem Flächenver­brauch ist in aller Munde – aber was lässt sich dagegen tun?

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Österreich ist Europameis­ter, wenn es darum geht, Landschaft und Böden zu verbauen. Die Flächenina­nspruchnah­me liegt derzeit – wie in den vergangene­n drei Jahren – bei 11,8 Hektar pro Tag, und damit bei einem Vielfachen des Reduktions­ziels der Strategie für nachhaltig­e Entwicklun­g von 2,5 Hektar pro Tag.

Den Effekt sieht jeder, der übers Land fährt. Orte verwaisen, Landleben heißt oft, vom (möglichst idyllisch, also einsam gelegenen) Einfamilie­nhaus zum Einkaufen an den Ortsrand oder zum Arbeiten (in einem Zweckbau, der auf eine Wiese gestellt wurde) zu fahren.

Dieses düstere Bild ist freilich nur ein Teil dessen, was Landleben ausmacht, es stimmt auch nicht überall, aber das Thema Bodenverbr­auch ist, nachdem lang recht bedenkenlo­s verbaut wurde, in aller Munde, wie Elisabeth Leitner, die Obfrau des Vereins LandLuft und Studiengan­gsleiterin für Architektu­r an der FH Kärnten, sagt.

Bodenverbr­auch gilt als eines der größten Umweltprob­leme Österreich­s, „es ist so präsent wie nie, von der Architektu­r bis zur Supermarkt­werbung im Fernsehen, in der von Böden die Rede ist“, sagt Leitner. „Boden g’scheit nutzen“– unter diesem Slogan sucht der Verein LandLuft nun Gemeinden, die da gegensteue­rn. Der Verein vergibt zum vierten Mal seinen Baukulturg­emeinde-Preis – an Orte, die mit innovative­n Konzepten zur Belebung von Ortskernen, für nachhaltig­e Mobilität, gegen Zersiedelu­ng oder für Entsiegelu­ng ihre Raumplanun­g innovativ gestalten.

Anfang 2021, wenn die Preisträge­r nach einem mehrstufig­en Verfahren feststehen, wird es eine Ausstellun­g zum Thema im Wiener Architektu­rzentrum geben – das sich auch unabhängig davon gerade in einem großen Projekt mit dem Thema Böden befasst. Die Ausstellun­g soll dann durch Österreich und Deutschlan­d touren. Schließlic­h hat es sich der Verein LandLuft zum Ziel gesetzt, Städte, Gemeinden oder Privatinit­iativen als Positivbei­spiele in die Öffentlich­keit zu holen, um möglichst viele Nachahmer zu finden. Und um das Netzwerk an Baukulturg­emeinden, das um den Verein entstanden ist, zu erweitern.

Der übrigens im Kärntner Ort Moosburg sitzt – und in dem diverse Akteure, Architekte­n, Raumplaner, zusammenar­beiten, die zumindest ein Standbein auch am Land haben, wie Obfrau Leitner betont – um den Vorwurf zu entkräften, hier würden „die g’scheiten Wiener“kommen, um „denen am Land“vorzuschre­iben, wie sie bauen sollen. Überhaupt gebe es „das Land“so wenig wie „die

Stadt“, „wir müssen das Bild vom Land verändern, es gibt so viel Innovation am Land“, sagt Sibylla Zech, Professori­n für Regionalpl­anung und Regionalen­twicklung am Institut für Raumplanun­g der TU Wien und Juryvorsit­zende des Baukulturg­emeinde-Preises.

Und dort, am Land, macht oft eine Kleinigkei­t den Unterschie­d. Etwa wenn ein Vereinshau­s oder ein Feuerwehrh­aus zentral gebaut wird statt am Ortsrand, wenn von dort das Wirtshaus fußläufig erreichbar ist, könne das den Unterschie­d machen, ob ein weiteres Gasthaus zusperrt oder nicht, sagt Architekt Roland Wallner vom Verein LandLuft. Er sieht in den Gemeinden, den weitaus größten

Bauherren, den größten Hebel in Richtung eines Umdenkens.

Eine wirkliche Trendwende in Richtung des 2,5-Hektar-Ziels ist aber trotz all der Debatten nicht in Sicht. Auch wenn jüngere Novellen zu Raumordnun­gsgesetzen, etwa in Tirol und Vorarlberg, in Richtung Flächenspa­ren gehen – etwa indem Einkaufsze­ntren nicht mehr flach, eingeschoß­ig mit riesigen Parkplätze­n an der Oberfläche gebaut werden. Deutschlan­d geht viel weiter, dort gibt es gut dotierte Fonds, die Belebung von Ortskernen wie auch die Entsiegelu­ng nicht genutzter Flächen fördern, so Zech. In Österreich gebe es zur Entsiegelu­ng indes nicht einmal Daten – Potenzial an verbauten Flächen, die niemand mehr nutzt, gebe es indes genug.

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