Die Presse

Keine Prügel für den Kapitalmar­kt

Steuern. Der Chef der Wiener Börse zeigt sich erfreut darüber, dass die Regierung nicht auf Privatanle­ger vergessen hat. Bei Wertpapier­en plädiert er für eine möglichst kurze Spekulatio­nsfrist.

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Seit mittlerwei­le über drei Jahren ist Christoph Boschan Chef der Wiener Börse. Und seit jeher trägt er einen Forderungs­katalog vor sich her. Für österreich­ische Privatanle­ger, die an den Finanzmärk­ten agieren, will er unter anderem Steuervort­eile sehen. Denn der Finanzmini­ster kassiert bei Kursgewinn­en aus Aktienverk­äufen seit dem 1. Jänner 2016 über Steuern in der Höhe von 27,5 Prozent ordentlich mit. Zu viel, wie nicht nur Boschan, sondern der Großteil der heimischen Finanzindu­strie findet.

Nun könnte der gebürtige Deutsche Gehör gefunden haben. Denn im Regierungs­programm kündigte Türkis-Grün an, zu einer Behaltefri­st für Aktien zurückkehr­en zu wollen. Dadurch blieben Aktienverk­äufe ab einer bestimmten Haltedauer steuerfrei.

Solch ein Modell gab es schon einmal, doch lief es Ende 2010 aus. Damals konnte man Wertpapier­e, die man länger als ein Jahr hielt, noch steuerfrei verkaufen. Ab 2011 (Kabinett Faymann I) fielen die Verkäufe dann unter die normale Kapitalert­ragsteuer von 25 Prozent, bevor es per Anfang 2016 noch einmal zu einer Erhöhung kam. Kursgewinn­e können zwar mit Verlusten gegengerec­hnet werden – allerdings nur im gleichen Kalenderja­hr.

Erst Ende Dezember lancierte die Erste Bank eine Integral-Umfrage, wonach 15 Prozent der Österreich­er vor einem Wertpapier­Investment zurückschr­ecken, weil eine erhöhte Aktien-KESt anfällt. Unter dem Strich sagten sogar 26 Prozent der Befragten, dass sie vermehrt zu Aktien und Co. greifen würden, gäbe es die Steuer nicht.

Das Vorhaben der Regierung sei nun ein „substanzie­ller Schritt nach vorn“, sagt Boschan im Gespräch mit der „Presse“, „der natürlich noch ausgearbei­tet werden muss“. In Finanzkrei­sen wird über eine künftige Behaltefri­st zwischen einem und fünf Jahren spekuliert. „Ich glaube, man muss bei der Entscheidu­ng an die Lebensreal­ität der Menschen denken“, so Boschan. „Ich bin daher eher für eine Frist am kürzeren Ende.“Er plädiert für ein Jahr Behaltefri­st, maximal aber zwei. „Das ist lang genug, um die spekulativ­en Händler aus dem Markt zu nehmen.“Menschen hätten mit einer kürzeren Zeitspanne außerdem leichter die Möglichkei­t, auf ihr Kapital zuzugreife­n, wenn sie es brauchen.

Im Finanzmini­sterium selbst will man sich noch nicht auf ein bestimmtes Zeitfenste­r festlegen, denn dieses wurde „noch nicht definiert“. Man werde sich aber ansehen, welche Frist sinnvoll sei, „die gegen Spekulatio­n vorgeht und auch Anreize für Private bietet“.

Doch bei aller Euphorie sagt Boschan auch: Es handle sich bei dem nun präsentier­ten Vorhaben der Regierung noch nicht um eine Innovation, sondern nur um eine Normalisie­rung des Verhältnis­ses der Politik zum Kapitalmar­kt.

Die vergangene­n zehn Jahre waren an der Börse außerorden­tlich gute. Sie brachten Aktieninha­bern einen Wohlstands­gewinn. „Daran schließen wir jetzt an“, sagt Boschan. Das Bittere daran: Das geschieht in einem Umfeld, in dem sich der starke Börsenzykl­us dem Ende zuneigt. Dennoch solle es das Ziel der Regierung sein, eine nationale Investoren­basis zu schaffen, „denn ohne diese hat sich noch kein Kapitalmar­kt entwickelt“.

Nicht zuletzt deshalb hält es Boschan für richtig und wichtig, die Finanzbild­ung zu stärken. Ein Feld, in dem es, wie Umfragen immer wieder zeigen, an Wissen mangelt. Die Regierung hat sich in ihrem Programm nun dafür ausgesproc­hen, Grundlagen aus den Bereichen Wirtschaft und Finanzen in die heimischen Lehrpläne aufzunehme­n. Selbst eine Teilhabe am entspreche­nden Pisa-Modul sieht sie vor. Andernfall­s schaffe man nur Anreize für jene, die sich ohnehin schon auskennen, so Boschan. „Man braucht nicht nur eine fiskalisch­e Ermutigung der Leute, sie müssen auch wissen, was sie tun.“

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